Wege zum Traumtrab
Jeder Tritt ein Traum
Tritt für Tritt, locker, schwingend, kadenziert, mit aufmerksamen Ohren und zufrieden blickenden Augen tanzt die schwarze Stute über den mit Herbstlaub übersäten Reitplatz. Mal mit Siebenmeilenstiefeln, mal in höchster Versammlung – immer gleichmäßig, harmonisch, kraftvoll. Wie eine Ziehharmonika erweitert sie ihren Rahmen und verkürzt ihn wieder. „Sehen Sie, das ist das Ergebnis unserer Arbeit, die ich Ihnen heute vom jungen Pferd an gezeigt habe. Nichts anderes.“ Zufrieden und ein bisschen stolz blickt Johann Hinnemann zu Saphira Royal und Chefbereiterin Stefanie Wolf. Reiter Revue International ist zu Gast auf dem Krüsterhof in Voerde. Wir wollen wissen, wie man den Trab verbessert. Und Johann Hinnemann möchte zeigen, dass der Weg dorthin einzig und allein über die Skala der Ausbildung führt. Fünf Pferde hat er für diesen Termin ausgewählt, die Chefbereiterin Stefanie Wolf und Auszubildende Annika Rühl nacheinander reiten: die beiden noch dreijährigen Arcachon und Q-Sieben, den sechsjährigen Matchball, die elf Jahre alte Fire Moon und die neunjährige Saphira Royal.
„Die Grundgangart Trab kann man nur verbessern, wenn die Basis 100-prozentig in Ordnung ist“, sagt Hinnemann. „Und die Basis sind nun mal Takt, Losgelassenheit und Anlehnung – die ersten drei Punkte der Skala der Ausbildung. Anders kann ich den vierten Punkt, nämlich Schwung, gar nicht erreichen.“ Wir zeigen Ihnen, was es bei der Basisarbeit des Pferdes zu tun gibt und mit welchen Übungen Sie Tritt für Tritt zum Traumtrab kommen.
Die Anlehnung
Das Thema Anlehnung ist Johann Hinnemann ein wichtiges Anliegen. Als Steffi Wolf mit dem jungen Arcachon ihre ersten Runden in der Reithalle dreht, wird offensichtlich, was „Chef“ meint. Wie mit einem eingebauten Metronom und bei gleichmäßiger, weicher Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul trabt der Hengst Runde um Runde, jeder Tritt wie der andere. „Für mich ist die Anlehnung immer eine Drei-Punkt-Anlehnung: die Anlehnung am Kreuz, die Anlehnung am Schenkel und dann erst die Anlehnung an die Reiterhand“, sagt Hinnemann. Sprich: Der Reiter stellt mit seinen treibenden Schenkeln und seinen Gewichtshilfen eine gefühlvolle Verbindung zum Pferdemaul her, ganz gleich, ob das Pferd in Selbsthaltung oder in Dehnungshaltung geht.
Apropos Dehnungshaltung: Auch darüber spricht Johann Hinnemann gern. Die Maulspalte nicht tiefer als das Buggelenk, die Nasenlinie leicht vor der Senkrechten, so macht es Arcachon in diesem Moment vor und so fordert es Johann Hinnemann. „Jeden Tag hört man in den Reithallen, ‚lang und tief’, aber die meisten vergessen dabei den wichtigen Halbsatz ‚mit herangeschlossenen Hinterbeinen’. Denn anders kriege ich keine Anlehnung“, sagt der Reitmeister. Und demonstriert mit vorgekipptem Oberkörper ein häufiges Missverständnis: „Wenn das Pferd mit so langem Hals läuft und der Reiter im Oberkörper auch noch nach vorne kippt – wie wollen die Reiter die Hinterbeine unter den Schwerpunkt bekommen?“
Mit einer korrekten Dehnungshaltung hingegen stellt der Reiter das Gleichgewicht her und bringt den Rücken des Pferdes zum Schwingen. Das gilt nicht nur für junge Pferde. „Wir müssen jederzeit in der Lage sein, selbst ein Grand-Prix-Pferd in die Silhouette eines Dreijährigen bringen zu können“, lautet Hinnemanns Credo. „Das ist das Ziel von ordentlicher Ausbildung. Von der höchsten Energie und positiven Spannnungsentwicklung zurück in die Lösungshaltung. Gymnastizierung heißt: Zusammenschieben, sodass sich das Pferd trägt und den größten Ausdruck hat. Und im nächsten Moment muss ich die Skala auch wieder zurückgehen können.“
Wie Schritt und Galopp helfen
Den Trab zu verbessern heißt nicht, nur Trab zu reiten. Die Schrittarbeit vor dem ersten Antraben und zwischendurch gehört dazu – „idealerweise am langen Zügel, also mit der längst möglichen Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul, um die Nickbewegung zuzulassen, sodass das Pferd durch den ganzen Körper schreitet.“ Und der Galopp dient genauso der Verbesserung des Trabes. „Weil alles, was dazu beiträgt, den Rücken geschmeidiger und offener zu machen, das Pferd lockerer und gehorsamer zu machen, der Verbesserung aller Grundgangarten dient“, sagt Hinnemann. Das beginnt mit dem Angaloppieren, bei dem der Reiter versuchen soll, den Widerrist nach oben zu holen, das geht weiter mit einem frischen Zulegen und wieder Einfangen im Galopp und Übergängen zwischen Trab und Galopp. Die Losgelassenheit als Ziel – sie macht auch den Trab schön.
Die Natürliche Schiefe
Jedes Pferd ist von Natur aus schief. „An der natürlichen Schiefe arbeite ich mein ganzes Leben“, sagt Johann Hinnemann. Und das fängt bei der lösenden Arbeit an. Um die natürliche Schiefe zu kontrollieren, muss der Reiter daran arbeiten, das Pferd mit dem inneren Schenkel an die äußere Hand treiben zu können. Das Pferd soll möglichst gleichmäßig an beide Zügel herantreten. „Das bleibt immer eine Aufgabe“, sagt Hinnemann. „Ich muss die schlechtere Seite immer im Wechsel mit der guten Seite so oft abfragen, bis sie gut ist.“ Um den Trab zu verbessern, muss das Pferd geradegerichtet, von hinten nach vorne geschlossen sein, nur dann kann es die Kraft aus beiden Hinterbeinen für einen ausdrucksvollen Trab entwickeln.
Der Reitersitz
Der gefühlvolle und ausbalancierte Reitersitz ist Voraussetzung, um ein Pferd auszubilden und beispielsweise den Trab zu verbessern. „Daran muss ich auch die besseren Reiter immer wieder erinnern“, sagt Hinnemann. Im Falle des Trabes heißt das: „Der Reiter muss mit seinem Sitz daran arbeiten, dass die Bewegungen groß werden. So reiten und sitzen, dass er das Gefühl hat, die Hinterbeine fußen in die Abdrücke der Vorderbeine. Das kann ich nicht durch Druck erreichen, das kann ich nur erreichen, indem ich diese Schwingung erarbeite und mitnehme, sodass die Schwingung und die Tritte noch größer, länger und schöner werden.“ Ab wann sollte der Reiter anfangen auszusitzen? „Dann, wenn der Ausbilder und der Reiter das Gefühl haben, dass das Pferd durch den ganzen Körper über den Rücken schwingt“, sagt Hinnemann. Er veranschaulicht seine Antwort mit den Händen, faltet sie vor sich zu einer Art runden Dach und drückt die Finger nun abwechselnd nach unten und wieder nach oben. „Sitzen kann der Reiter nur, wenn der Rücken aufgewölbt ist, also der Schwingungsbogen da oben ist. Nur dann ist er weich und dann kann ich auch die Tritte größer machen. Ist der Schwingungsbogen nur da unten, sitzt der Reiter in der Kuhle und da schwingt nichts, das ist hart.“