Die muss jeder kennen: Acht Trainingstipps von Michael Fischer
Balance aus dem Bein
„Das erste, was ich bei einem Reiter im Blick habe, ist der Unterschenkel“, sagt Ausbilder Michael Fischer zu Beginn seiner Lehrstunde auf der Equitana, während Leonie Krey mit Hicksteads Golden Boy und Greta Löcken mit Hollywood ihre ersten Runden im großen Showring drehen. „Es sind nicht die Hände, nicht die Schultern, nicht der Rücken.“ Der Unterschenkel muss genau unter dem Gewicht des Reiters sein. So als könnte man jederzeit das Pferd unter dem Reiterhintern wegziehen und der Reiter würde danach immer noch stehen. Denn wäre der Unterschenkel zu weit vorne, würde der Reiter nach hinten umkippen, erklärt Fischer. Ist der Schenkel zu weit hinten, kippt der Reiter nach vorne um. „Deshalb achte ich bei meinen Schülern so sehr darauf, dass sie sich auf ihren Beinen ausbalancieren.“
Blick-Schule
Warum ist es so wichtig, dass der Blick nach vorne geht und nicht nach unten? „Wenn ich auf dem Pferd sitze, bewirkt mein Blickkontakt gar nichts, außer dass ich durchs Runterschauen mit dem Oberkörper nach vorne runterhänge. Deshalb möchte ich mein Pferd zu keiner Zeit sehen, sondern immer spüren wollen“, sagt Fischer. „Und das zu jeder Zeit!“
Der Blick nach vorne gilt auch für das Anreiten einer Stange oder eines Hindernisses: „Der Sprung ist niemals so wichtig wie das Pferd. Der Sprung ist das einzige, was sich nicht bewegt. Wichtig ist also, dass man anfängt, sein Pferd zu reiten und nicht den Sprung.“ Dazu kam auch die Zuschauerfrage, wie man denn so die Distanz finden solle. Fischer erklärte: „Wie gehen wir die Treppe hoch? Schauen wir jede Stufe an? Nein, wir schauen nach vorne. Durch unser räumliches Sehen und unseren Blickwinkel sehen wir die Stufe, wir müssen sie nicht fokussieren. Und so ist es beim Springen auch. Schaue ich nur auf den Absprungpunkt, signalisiere ich meinem Pferd bis zu diesem Punkt zu laufen. Schaue ich nach vorne über den Sprung hinweg, also dorthin, wo Platz ist, reite und spüre ich mein Pferd, halte die Spur und das Tempo, wird die Distanz kein Problem sein. Viele haben Angst, dass sie den Sprung verpassen – das wird nicht passieren. Ich gebe mit meinem Körper die Vorgabe, wohin das Pferd gehen soll“, erklärt Michael Fischer und geht auf einen kleinen Steilsprung zu. „Die eigentliche Aufgabe steht einfach nur im Weg.“ Nicht mehr und nicht weniger.
Die Takt-Frage
„Von Takt ist oft die Rede, aber was ist Takt? In der Übersetzung ist Takt, räumliches, zeitliches Gleichmaß. Versteht auch keiner. Was also heißt räumliches, zeitliches Gleichmaß? Es heißt: Spur und Tempo. Das heißt: Ist das Pferd nicht in der Lage, in einer Spur das Tempo zu halten, wird es nie in den Takt finden.“
Weg von der Bande
„Zu Hause reiten wir nie an der Bande. Ich möchte, dass das Pferd lernt, sich selbstständig zu bewegen und auf meine Vorgaben zu reagieren“, sagt Fischer. Stünde kein Parcours im Showring, würde er Greta und Leonie nur auf dem zweiten und dritten Hufschlag reiten lassen. Der erste ist tabu.
Vorgaben machen
„Ich fordere von meinem Pferd nur das, wozu ich selbst körperlich in der Lage bin“, sagt Fischer. Ist der eigene Körper ausbalanciert? Ist der Körper des Pferdes ausbalanciert? Sich diese Fragen zu stellen, hilft dem Reiter, seinem Pferd auch die richtigen, nämlich klaren Vorgaben zu machen.
Schön, aber auch flexibel
Greta sitzt schön auf ihrem Schimmel, lobt Michael Fischer. Einen Haken gibt‘s trotzdem: „Ein korrekter Sitz ist eine feine Sache. Aber der optisch korrekte Sitz reicht nicht. Es geht um Flexibilität, um Beweglichkeit. Kopf oben, aufrecht sitzen, ja, aber dabei musst du elastisch bleiben.“
Gute Fehler schlechte Fehler
Für Michael Fischer gibt es gute und schlechte Fehler. Was sind gute Fehler? „Das sind die, bei denen das Pferd alle Möglichkeiten hat, das Richtige zu tun und einfach nicht gut genug, nicht weit genug, nicht schnell genug gesprungen ist. Das sind gute Fehler, weil das Pferd die Chance hat, etwas daraus zu lernen.“
Schlechte Fehler sind die, bei denen der Reiter verkrampft und fest wird, das Pferd verkrampft und fest wird und somit gar keine Chance hat, aus dem Fehler zu lernen. Die Pferde von Leonie und Greta zeigen sich in dieser Reitstunde gut in der Balance und meist losgelassen, und wenn, dann machen sie nur gute Fehler. Aber davon ganz wenige.
Wo ist außen?
An der kurzen Seite scheut Gretas Schimmel vor einem Fotografen an der Bande, Greta versucht ihn mit dem äußeren Zügel auf der äußeren Spur zu halten, aber der Schimmel weicht nach innen aus. Ein Klassiker. „Was hört man dann in jeder Reitstunde? Innerer Schenkel, äußerer Zügel. Das ist grundsätzlich nicht falsch.
Die Frage ist: Wo innen und wo außen ist, entscheidet der Mensch und nicht das Pferd. In dem Moment, wo ich das Pferd jetzt mit dem äußeren Zügel halte, kippt es nach innen. Was ist also zu tun? Ich gebe mit meinem Körper die richtige Vorgabe: Meine Schulterachse bleibt parallel zu der des Pferdes. Würde ich mit der Hand außen zurückwirken, drehe ich automatisch die Schulter nach außen und das Pferd weicht nach innen aus. Besser die Schulterachse nach innen drehen und mit dem äußeren Schenkel die Hüfte des Pferdes begrenzen. Ziel ist es, dass das Pferd einen möglichst fein gesetzten Kanal zu jeder Zeit erkennt, akzeptiert und selbstständig durchläuft. Das Pferd spürt und lernt, sich auf die Vorgaben des Reiters zu verlassen.“