Leseprobe
Auf Abwegen – Wenn Pferde entlaufen
Ein gemütlicher Spaziergang am Strick oder Ausritt im Gelände, schöne Szenarien, die jedoch schnell zur Katastrophe werden können, wenn Pferde in Panik geraten. Was aber können Sie tun, um zu verhindern, dass ihr Pferd sich losreißt und davonläuft? Ein erster wichtiger Schritt, um gefährlichen Situationen im Umgang mit Pferden vorzubeugen ist für Verhaltensexpertin Dr. Vivian Gabor, den eigenen Blick zu schulen: Wann fängt mein Pferd an, Stressanzeichen zu zeigen? „Wir lernen, auf die Mimik und Gestik unserer Pferde zu achten“, betont sie. „Erstmal muss man üben zu beobachten, vor allem auf das Pferdegesicht zu achten.“ Wenn man die Anzeichen erkennt, dann ist es möglich wahrzunehmen, wann sich das Pferd entspannt und wohlfühlt und wann der Punkt erreicht ist, in dem die Anspannung steigt und sich möglicherweise entlädt. Wenn Pferde eine potenzielle Bedrohung wahrnehmen oder in Stress geraten, verfallen sie häufig in eine Art Angststarre. Die promovierte Pferdewissenschaftlerin spricht in diesem Zusammenhang vom „Freezing“. Nach dem Freezing in einer akuten Stresssituation folgt die Kampf-oder-Flucht-Reaktion und bei Pferden fällt die Wahl in der Regel auf Flucht.
Von Null auf Flucht
„Wenn ein Pferd entspannt dasteht, wird in seinem vegetativen Nervensystem der Parasympathikus angeregt und Serotonin ausgeschüttet“, erklärt Gabor. Den Botenstoff Serotonin nennt man auch „Glückshormon“, beim Pferd sorgt es für Wohlbefinden. „Spannt es sich an, dann wird sofort der Sympathikus aktiviert und die Stresshormone Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet“, ergänzt die Expertin. „So ist das Pferd innerhalb von Sekunden bereit zur Flucht“, sagt Gabor, „aber wenn ich entsprechend trainiert habe, kann ich es auch in Sekunden wieder aus diesem Zustand zurückholen.“
Das funktioniert am besten durch Bewegung. „Die erste Übung bei mir ist immer, dass ich das Pferd rückwärts von mir wegschicke. So beanspruche ich meinen individuellen Raum.“ Diesen Raumanspruch stellen Pferde auch in der Herde und derjenige, der den Raum bekommt, ist in der Regel der Ranghöhere. „So empfindet mich das Pferd im Idealfall als jemanden, der die Situation im Griff hat und der es beschützt“, erklärt Gabor. „Als Nothalt funktioniert es auch, das Pferd mit der Hinterhand von mir wegzuschicken.“ Das lenkt nicht nur den Pferdekopf in Richtung Mensch, sondern auch seine Aufmerksamkeit. Vivian Gabor rät zu „weichenden und kreuzenden Übungen“, um das Pferd aus seinem Erregungszustand zu holen.