Frühlingsenergie positiv nutzen
Wenn im Frühling die Natur aufblüht, tun es erfahrungsgemäß auch die Pferde. „Ich merke es vor allem, wenn ich meine Pferde morgens auf den Paddock stelle. Zu aller erst wälzen sie sich im Sand, springen dann auf und bocken was das Zeug hält“, lacht Vielseitigkeitsreiterin Josefa Sommer aus dem hessischen Immenhausen. Nichts verschenken, lautet ihre Devise, wenn sie merkt, dass ihre Pferde „gut drauf“ sind: „Ich freue mich, wenn sie spritzig sind unter dem Sattel und von sich aus an das Gebiss ranziehen“, sagt sie. „Das ist viel besser, als wenn man treibt und treibt und vorne nichts ankommt. Aber woher kommt eigentlich der Energieschub im Frühling? „Wenn im Frühling mehr Licht da ist, hemmt die Zirbeldrüse im Gehirn die Melatonin- Ausschüttung. Der Körper lässt mehr Aktivität zu“, erklärt Tierarzt Dr. Stephan Lübke, der in Neunkirchen-Seelscheid eine eigene Praxis für Pferde betreibt. Die Zirbeldrüse ist in etwa so groß wie ein Fünf- Cent-Stück und steuert den Schlaf- Wach-Rhythmus. Das Schlafhormon Melatonin sorgt dafür, dass der Körperstoffwechsel herunterfährt und weniger Geschlechtshormone produziert werden. „Im Frühling steigt auch die Kontaktfreude, was mit den Geschlechtshormonen zusammenhängt“, schildert der Tierarzt. Da Pferde einen Winterstoffwechsel haben, wird bei ihnen der Energieschub im Frühling besonders deutlich.
Der Ritt auf dem Pulverfass
Und der kann aus manchen Pferden echte Pulverfässer machen. Diese Erfahrung hat auch Dressurreiterin Bernadette Brune aus Westerstede gemacht: „Wenn ich mit den Pferden viel in der Halle war und es dann nach draußen geht, ist es klar, dass die Pferde ein bisschen fröhlicher sind.“ Dennoch muss der Reiter konsequent bleiben. Auf keinen Fall sollte er das Pferd direkt lospreschen lassen – weder an der Longe, noch unter dem Sattel. „Ich versuche immer, es im Schritt zu lösen und reite sehr, sehr lange Schritt“, schildert Brune. „So lernen die Pferde, sich im Schritt zu entspannen, statt rauszukommen und direkt Gas zu geben.“ Das erreicht sie mit Schenkelweichen, Schulterherein und Schlangenlinien. Das Pferd muss sich dabei konzentrieren, wird durchlässiger, behält aber im Gegensatz zum Müdemachen an der Longe seine Frische und Motivation. Sobald das Pferd körperlich entspannt und den Hals fallen lässt, kann der Reiter sein Pferd locker im Vorwärts-abwärts antraben, ohne es dabei festhalten zu müssen. „Klar, wenn ein Pferd sehr viel Energie hat, muss man auch mal eher antraben oder es im Galopp mal ein bisschen gehen lassen“, lenkt die Dressurreiterin ein, fügt aber hinzu: „Es darf nicht zur Gewohnheit werden.“ Josefa Sommer hat noch einen Tipp für Energiebündel parat: „Ich gehe dann gern auf meine Bergwiese und reite ein paar Mal den Hang hoch. Dann sind die meisten Pferde erst einmal zufrieden.“ Ansonsten rät sie zu vielen Übergängen und Tempounterschieden. Beides macht das Pferd schön durchlässig. Ein riesen Pluspunkt: Bei frischen Pferden kann der Reiter seine Hilfen noch feiner dosieren. Außerdem schwört sie auf Stangen- und Cavalettiarbeit, um ein kribbeliges Pferd ans Bein zu bekommen und über den Rücken zu arbeiten. All das löst letztendlich Spannungen im Pferd. Wenn die nämlich Überhand nehmen, weil der Reiter sein Pferd fest oder zurückhält, entlädt die Energie sich gern nach oben. Die Pferde fangen an zu buckeln. „Das versuche ich zu unterbinden“, macht Josefa Sommer klar. „Gerade die jungen Pferde gewöhnen es sich schnell an, wenn man sie buckeln lässt.“ Und was tun, wenn sich ein Bocksprung anbahnt? „Nach vorne reiten, immer nach vorne“, sagt Josefa Sommer. „Würde man ein Pferd dann festhalten, baut sich nur noch mehr Spannung auf. Buckeln ist ein Zeichen von zu viel Spannung, das Pferd ist noch nicht durchlässig.“ Hier sind wieder viele Übergänge gefragt.
Niemals kämpfen!
Bernadette Brune sieht das ähnlich, unterscheidet aber, was die Art der Bocksprünge angeht: „Wenn es nicht boshaft ist, sondern aus Freude, dann freue ich mich selbst, wenn das Pferd mal ein bisschen buckelt. Aber es darf nicht jeden Tag in alle Richtungen losgehen.“ Ganz wichtig ist für sie vor allem eins: „Man darf nie mit dem Pferd kämpfen! Da hat man immer verloren und es bringt für die Zukunft nichts. Wenn man merkt, es geht gar nicht, kann man das Pferd lieber noch einmal an die Longe nehmen.“ Es soll dabei nicht müde werden, sondern nur seinen Energieüberschuss loswerden. Das sollte jedoch möglichst die Ausnahme bleiben. „Gerade die jungen Pferde bekommen dadurch sehr viel Kraft“, sagt Bernadette Brune und gibt zu bedenken: „Auf dem Turnier kann man die Pferde auch nicht immer ablongieren.“ In einem sind sich beide einig: Wenn das Pferd an den Hilfen seines Reiters steht und durchlässig ist, gibt es nichts schöneres, als ein energiegeladenes Pferd zu reiten! „Mit den älteren Pferden kann man dann sehr schön am Ausdruck arbeiten“, findet Josefa Sommer. „Man versammelt sie ein bisschen, reitet dann wieder mehr vorwärts. Da macht man sich diese Energie natürlich zunutze!“