Leseprobe
So gelingt die Ausbildung zum Vielseitigkeitspferd
Welche natürlichen Anlagen sollte ein zukünftiges Vielseitigkeitspferd mitbringen?
Carola Bierlein: „Wichtig bei einem Vielseitigkeitspferd ist eine gute Kooperationsbereitschaft, eine gewisse Elastizität und ein Körper, gegen den es in allen drei Disziplinen nicht anarbeiten muss. Es gibt sehr unterschiedliche Pferdetypen, die erfolgreich sind. Ordentliche Bewegungen, ein schnelles Vorderbein und ausreichend Springvermögen sollten sie haben, gleichzeitig sollten die Pferde leichtfüßig sein. ‚Wenn man sie galoppieren hört, halten sie nicht‘, war eine alte Expertenmeinung. 25 Prozent Vollblutanteil wäre wünschenswert, wenn das Pferd später im schweren Sport laufen soll. Für die leichteren Klassen ist das nicht unbedingt nötig, dort sind auch Pferde mit weniger oder ohne Vollblutanteil durchaus erfolgreich."
Wie startet man das Training an Geländehindernissen?
„Ganz wichtig ist, dass zusätzlich zu dem jungen Pferd ein erfahrenes Pferd dabei ist. Eines, das Ruhe ausstrahlt und gegebenenfalls mal voraus ins Wasser oder über einen Graben geht. Ideal ist es, auf einem Geländeplatz zu üben, wo viele kleine Hindernisse stehen. Dann kann man mit einem Baumstamm, kleinen Kanten rauf und runter und einem winzigen Graben beginnen. Das wäre für das erste Training absolut ausreichend.
Manchen Pferden hilft es, wenn ein Mensch es an der Longe führt und voran geht. Allerdings sollte der Führende erfahren sein, weil besonders unerfahrene Pferde manchmal in die merkwürdigsten Richtungen springen.
Ganz wichtig ist es, den Pferden Spaß zu vermitteln. Die meisten Pferde möchten gerne gut sein, also sollte man mit so wenig Spannung und so viel Freude wie möglich zur Sache gehen und kleine Erfolge richtig feiern."
Wie mache ich das junge Pferd mit den Geländehindernissen vertraut?
„Auf dem Turnier in den kleinen Geländepferdeprüfungen darf man dem Pferd die Hindernisse vor dem Start zeigen. Das sollte man im Training zu Beginn, wenn etwas Neues kommt, ebenfalls tun. Wir zeigen unseren Pferden die Sprünge, indem wir langsam und gerade darauf zureiten und sie dann in Ruhe schnuppern und gucken lassen. Eine Ausnahme bildet der Graben: Ihm nähert man sich besser von der Seite und reitet daran entlang, damit die Pferde nicht frontal in den vermeintlichen Abgrund schauen müssen. Sie reagieren oft besser, wenn sie den Graben seitlich beäugen können. Oft sehe ich Reiter, die ihre Pferde loben, wenn sie ein Hindernis verweigern, oder die schnell umdrehen und wegreiten, wahrscheinlich um neu Anlauf zu nehmen für den nächsten Versuch. Beides finde ich nicht zielführend. Loben wenn die Pferde etwas falsch machen, führt zu falscher Schlussfolgerung des Pferdes. Und sie aus der Situation so schnell zu entlassen ist auch nicht sinnvoll, sie sollten sich schon gedanklich damit auseinandersetzen und sich möglichst auch ärgern, dass sie sich nicht beim ersten Versuch überwunden haben."