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Was tun, wenn das Pferd sich einrollt?

Mit Rollkur hat es nichts zu tun, wenn das Pferd partout nicht an die Hand herantritt. Dennoch ist die Stirn-Nasen-Linie hinter der Senkrechten. Dann hilft nur eines: Schritt für Schritt zurück zur sicheren Verbindung.

Eine feine Hilfengebung mit der Hand ist Grundvoraussetzung für eine gute Anlehnung.

Im übertragenen Sinne ist eine gute Anlehnung vergleichbar mit einer Telefonleitung. Nur wenn eine Verbindung besteht, kann man sich unterhalten und nur wenn das Pferd ans Gebiss herantritt, kann es klar und deutlich verstehen, was der Reiter ihm sagen will. Wenn es sich allerdings hinter dem Zügel verkriecht, ist das zwar keine Rollkur, doch sobald der Reiter nichts mehr in der Hand hat, spricht man von einem massiven Rittigkeitsproblem. Das Pferd entzieht sich aktiv den Zügelhilfen und hält sich im Rücken fest.

Die Pferdephysiotherapeutin Bianca Babczynski erklärt, was mit dem Bewegungsablauf des Pferdes passiert, wenn es nicht reell an den Zügel herantritt: „Zum einen schränkt das die Schulterfreiheit ein. Zum anderen verkrampft das Pferd, weil das lange Nackenband unter zu viel Zug steht. Die Hinterbeine schwingen nicht mehr genügend unter den Schwerpunkt. Das Pferd verliert die Balance und fällt auf die Vorhand. Wegen des festgehaltenen Rückens werden die Bewegungen stumpf und unelastisch.“ Die Folgeschäden sind auf Dauer ähnlich wie bei jahrelangem Rollkur-Reiten: „Neben fehlerhafter Bemuskelung können auch Entzündungen der tieferen Muskulatur oder Zähneknirschen und Zungenfehler auftreten. Weiter sind Überbelastungserscheinungen an Nackenband, Genick, der oberen Halswirbelsäule, den Hals- und Rückenwirbeln sowie am Bewegungsapparat in Form von Sehnen-, Bänder- oder Gelenkschäden möglich“, zählt Babczynski auf.

Idealerweise soll die Anlehnung im Laufe der Ausbildung immer feiner werden. Mancher Reiter verliert dabei die Verhältnismäßigkeiten aus den Augen. Wie leicht darf ein Pferd in der Hand sein? „In Gramm-Angaben lässt sich das nicht ausdrücken“, sagt Bianca Babczynski, „doch wenn der Zügel springt oder durchhängt und somit keine gleichmäßige Verbindung mehr besteht, kann das Pferd nicht mehr von hinten nach vorne an das Gebiss herantreten.“

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Thies Kaspareit, Leiter der Abteilung Ausbildung und Wissenschaft der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, holt etwas weiter aus: „Auf der beständigen Anlehnung baut unsere gesamte Reitlehre auf.“ Dabei sei die Kopf-Hals-Haltung des Pferdes zunächst zweitrangig. „In erster Linie muss sich der Reiter auf die positive Verbindung konzentrieren“, so Kaspareit. „Ziel der Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul ist die Möglichkeit einer Einwirkung auf das Pferd im positivsten Sinne.“ Bianca Babczynski ergänzt: „Eine feine, konstante Anlehnung ist Grundvoraussetzung für die weitere Ausbildung eines Pferdes. Das Pferd muss lernen, bei fleißig abfußendem Hinterbein den Schub aus der Hinterhand über den aufgewölbten Rücken und das Genick bis an das Gebiss und somit in die Reiterhand zu übertragen. Diesen Spannungsbogen braucht der Reiter, um im weiteren Ausbildungs-verlauf die gewünschte Geraderichtung und Versammlung erreichen zu können.“

Manche Pferde neigen dazu abzutauchen. Ein Ausweichmanöver, dass der Reiter ernst nehmen muss.

Bei jungen Pferden sei es normal, dass sie sich zu Beginn der Ausbildung noch einrollen. Pferdephysiotherapeutin Bianca Babczynski bestätigt dies: „Das junge Pferd ist oft noch nicht genügend ausbalanciert und muskulär noch nicht weit genug entwickelt, um mit dem Reitergewicht korrekt an das Gebiss heranzutreten.“ Thomas Wagner, Dressurausbilder aus Bad Homburg, stimmt dem zu. Er versucht aber auch zu Beginn der Reitpferdeausbildung das Einrollen auf ein Minimum zu reduzieren.

„Ich probiere einfach immer wieder, das Pferd korrekt an die Hand zu reiten. Es soll sich nicht angewöhnen, sich einzurollen oder sogar falsche Muskulatur dadurch entwickeln.“ Thomas Wagner

Einrollen als Ausweichmanöver

Die eingerollte Haltung ist unangenehm für das Pferd und verursacht auf Dauer Schmerzen und Verspannungen. Doch warum verkriecht es sich trotzdem manchmal? „Es möchte den Kontakt mit dem Gebiss beziehungsweise mit der Reiterhand vermeiden“, fasst Thies Kaspareit zusammen. Ursachen dafür gibt es zu Hauf. Der Ausbildungs-Verantwortliche der FN zählt auf: „Zuerst ist immer eine selbstkritische Analyse des Reiters notwendig, schuld ist meist die Reiterhand, wenn auch oftmals ungewollt. Oder das Pferd fühlt sich mit seinem Gebiss nicht wohl. Natürlich muss der Reiter auch abklären lassen, ob die Zähne seines Pferdes in Ordnung sind und sich keine Wunde oder gereizte Stelle im Maul befindet, die für das Problem verantwortlich ist.“

Das Reithalfter darf nicht spannen und der Nasenriemen nicht zu tief sitzen. Das Trensengebiss muss zum Pferdemaul passen und darf nicht zu locker aber auch nicht zu stramm im Maul liegen. „Ist das Gebiss zu kurz in die Backenstücke der Trense geschnallt, bekommt das Pferd Zug in die Maulwinkel und gleichzeitig zu viel Druck auf das Genick“, erklärt die Pferdephysiotherapeutin. Darauf kann es mit Einrollen reagieren. Das Gleiche kann passieren, wenn das Gebiss zu locker im Maul liegt und zu „klappern“ beginnt. Das gibt dem Pferd das Gefühl, es zu verlieren. Viel zu häufig treffe man auch heute noch auf Reiter, die unpassende Sättel für ihre Pferde nutzen, so die Beobachtung aller Experten. Das ist eine der Hauptursachen für Rittigkeitsprobleme jeder Art. Drückt der Sattel, hält das Pferd seinen Rücken fest. Es fühlt sich unwohl und hat vielleicht sogar Schmerzen. Der Schwung aus der Hinterhand bleibt stecken.

Die Ausrüstung muss passen

Thomas Wagner geht bei allen Schwierigkeiten unter dem Sattel generell nach dem Ausschluss-Verfahren vor: „Nur wenn das Pferd beim Reiten keine Schmerzen hat, kann man ihm gerecht werden. Was heißt: Der Reiter muss sich absichern, dass sein Pferd gesund ist, also keine körperlichen Probleme für das Einrollen verantwortlich sind. Dann muss die Ausrüstung auf die Passform überprüft werden und auch darauf, ob sie noch intakt ist. „Oder das Gebiss ist dem Pferd zu dünn und somit zu scharf. Manchmal wirkt schon ein neues, ein dickeres, oder leichteres Gebiss oder eines aus einem anderen Material wahre Wunder“, spricht der Dressurausbilder aus Erfahrung.

Wenn das Pferd gesund ist und die Ausrüstung passt, es sich aber immer noch einrollt, beginnt die Arbeit unter dem Sattel. Die Skala der Ausbildung zeigt den Weg zur Anlehnung recht anschaulich, wie Wagner erklärt: „Ein Pferd, das im Takt läuft, lässt sich los und ein Pferd, das sich loslässt, sucht auch die Anlehnung.“ Nur in dieser Reihenfolge kann eine sichere Verbindung zustande kommen. „Viele Reiter versuchen über ein schnelles Tempo die Anlehnung zu erreichen“, berichtet er. Das funktioniert aber nicht. Denn dabei gerät das Pferd aus dem Takt und fällt auf die Vorhand. Der Schub muss aber aus der Hinterhand kommen.

Sich einrollen, das passiert nicht von einem auf den anderen Tag. Wagner bezeichnet es als schleichenden Prozess – und als Teufelskreis: „Wenn der Reiter immer wieder versucht, Druck in die Hand zu bekommen, indem er die Zügel kürzer nimmt, arbeitet er sein Pferd mehr und mehr hinter die Senkrechte. Das Pferd wird leichter und leichter“, erklärt er. „Es muss aber von sich aus das Gebiss suchen. Das geht nur, wenn es den Schwung aus dem Hinterbein über den aufgewölbten Rücken bis hin zur Reiterhand durchlässt.“ Dazu sei es eher förderlich, die Hand vorzugeben, damit das Pferd wieder nach dem Gebiss suche, so der Grand Prix-Reiter.

Anlehnung ist keine Schablone

Das bestätigt auch Thies Kaspareit und gibt folgenden Tipp: „Der Reiter muss ausblenden, dass das Pferd eine bestimmte Kopf-Hals-Haltung annehmen soll. Er kann hingegen einfach mal am langen Zügel losreiten und versuchen, sich keine Gedanken darüber zu machen, wo das Pferd gerade hinschaut.“ Denn häufig haben solche Pferde das Vertrauen in die Reiterhand verloren. Und sie haben noch ein Problem: „Pferde, die sich einrollen, gehen deshalb auch nicht schwungvoll vorwärts“, fährt Thies Kaspareit fort. Er schlägt in solchen Fällen vor, auf großen Linien das Tempo immer wieder zu erhöhen, ohne dass der Ablauf eilig werden darf. „Der Reiter muss sich dann ein-fach mal trauen, das Pferd frisch mit möglichst langem Hals nach vorne gehen zu lassen. Manchmal lässt sich schon allein dadurch der Teufelskreis durchbrechen.“

Einfach vorwärtstreiben, das ist häufig leichter gesagt als getan. Vor allem wenn der Sport- und Freizeitpartner nicht gerade für sein feuriges Temperament bekannt ist. Thomas Wagner rät, die gemütlichen Kandidaten zu positiver Gehfreude zu motivieren. „Solche Pferde dürfen nicht jeden Tag das Gleiche machen oder immer nur in der Halle geritten werden. Gerade sie brauchen viel Abwechslung. Ab nach draußen, auf den Springplatz und ins Gelände“, lautet die Devise des Dressurausbilders. „Außerdem habe ich bei solchen Pferden sehr gute Erfahrungen mit Übergängen und Tempounterschieden gemacht“, berichtet er. „Bei Trab-Galopp-Übergängen muss das Pferd jedes Mal neu anspringen und auf den Schenkel horchen. Das fördert die Aktivität des Hinterbeins. Die Grundreaktionen werden schneller und besser. Der Reiter bekommt sein Pferd mehr vor die treibenden Hilfen. Sobald es sich im Ganzen loslässt, hat man in der Regel auch mit dem Einrollen kein Problem mehr.“ Weiterer Pluspunkt der Trab-Galopp-Wechsel: Das Pferd nimmt den Schwung beim Angaloppieren automatisch mit nach vorne und muss mehr an das Gebiss herantreten als bei Trab-Schritt-Übergängen.

Drei Übungen für eine bessere Verbindung

Lange Leitung

Um dem Pferd das Vertrauen in die Reiterhand zurückzugeben, kann der Reiter das Zügelmaß in allen Gangarten immer wieder variieren. Dabei lässt er die Zügel in Reprisen länger werden, um sie danach wieder aufzunehmen.

Wichtig: Die Verbindung zum Pferdemaul darf nicht ganz aufgegeben werden. Die Zügel müssen auch nicht in voller Länge vorgegeben werden, es reichen schon kleine Veränderungen. Auch das Aufnehmen muss sanft passieren. Die Hand darf nicht zu stark agieren. So lässt sich die flexible Verbindung Schritt für Schritt zurück erarbeiten.

Empfang in Balken

Drei bis vier Stangen oder Cavaletti genügen für diese Übung. Der Reiter legt Trabstangen im Abstand von etwa einem Meter (zwischen 0,90 und 1,05 Meter) auf den Boden, zunächst auf gerader Linie. Er reitet mittig davor und beachtet die Stangen dabei so wenig wie möglich. Wichtig ist, dass er den Takt hält. Vor den Stangen muss das Pferd genauer hinschauen, um nicht zu stolpern. Es senkt den Kopf und wölbt gleichzeitig den Rücken auf. Um nicht auf die Stangen zu treten, müssen die Hinterbeine weiter vorgreifen.

Wichtig: Der Reiter gibt die Zügel über den Stangen vor und lässt das Pferd an die Hand herandehnen. Später können noch weitere Stangen in der Bahn und auch auf gebogene Linien liegen. Mit diesen Balken ist eine gute Verbindung garantiert.

Kurzwahl-Taste

„Schenkelweichen animiert das Pferd, vermehrt auf den treibenden Schenkel zu reagieren“, erklärt Thomas Wagner. Schenkelweichen im Schritt an der Bande der langen Seiten entlang, fällt Pferd und Reiter anfangs leichter. Also Schenkelweichen auf die Kurzwahl-Taste und immer wieder abfragen.

Dabei nicht vergessen: Übertreten ist anstrengend für das Pferd. Besser wenige Tritte mit sicherer Verbindung reiten, als zu viel auf einmal wollen und riskieren, dass sich das Pferd wieder einrollt.