Leseprobe: Ein Rentner und ein Reitpferd?
Wenn Pferde nicht mehr reitbar sind
Meine Stute hatte jetzt 16-jährig innerhalb kurzer Zeit den dritten Sehnenschaden. Ob sie jemals wieder voll reitbar sein wird, steht noch in Frage“, schreibt Verena G. auf Facebook. „Dennoch wird sie, ungeachtet der finalen Entscheidung, bis zu ihrem Ende bleiben dürfen.“ Viele Leser meldeten sich zu unserem Rechercheaufruf zum Thema „Wenn Pferde nicht mehr reitbar sind“. Denn früher oder später muss sich jeder Pferdebesitzer damit auseinandersetzen. Der Kauf eines Reitpferdes garantiert nicht, dass man sorglos bis ans Pferdeleben-Ende reiten kann. Dafür hat man sein Pferd zwar gekauft, aber in der Regel stößt man früher oder später an Grenzen der Belastbarkeit. Manchem machen Verletzungen wie Sehnen- oder Gelenkschäden einen Strich durch die Rechnung, bei anderen sind es chronische Erkrankungen wie Hufrehe oder Asthma, die das Reiten einschränken. Spätestens wenn das Pferd das Rentenalter erreicht hat, ist es an der Zeit, mit dem Reiten kürzer zu treten. Je höher die sportliche Anforderung ist, die man an das Tier stellt, desto früher ist mit Einschränkungen zu rechnen. Ein Pferd, das auf M- oder S-Niveau unterwegs ist, wird mit Anfang 20 in der Regel kürzer treten müssen.
Ein Familienmitglied
Was dann? Die eigenen Ansprüche herunterschrauben? Ein junges Pferd dazu kaufen, um die Ziele weiter verfolgen zu können? Oder das ältere Pferd abgeben, um Platz für ein junges zu schaffen? Zeit, Geld und Emotionen haben dabei einen großen Einfluss auf die Entscheidung. „Ich habe meinen Wallach seit 23 Jahren. Er ist jetzt 28 und genießt sein Rentnerleben. Es wäre für mich undenkbar, ihn zu verkaufen. Er ist ein Familienmitglied“, schreibt Nicole A. „Ich habe meine Stute seit sie vier ist und selbst ausgebildet. Sie ist jetzt 16 und leider krankheitsbedingt nicht mehr voll belastbar. Klar hätte ich gerne was zum Reiten, aber ein zweites Pferd ist finanziell nicht machbar“, lautet ein anderer Kommentar. Tatsächlich schreiben uns die meisten Leser, dass sie sich nicht von ihrem Pferd trennen würden, unabhängig davon, ob es reitbar ist oder nicht. Doch ist dies für jeden so klar? „Nein“, sagt Mentaltrainerin Regina Horn-Karla, selbst Reiterin und regelmäßig im Gespräch mit Reitern und Pferdebesitzern.
„Es gibt verschiedene Typen von Reitern: Die einen, die sich schon beim Kauf des Pferdes bewusst sind, dass sie einen Partner fürs Leben haben, den sie nicht wieder abgeben würden. Dann aber auch die, die sich von vornherein im Klaren darüber sind, dass sie genau das nicht wollen und beispielsweise ihre Aufgabe darin sehen, junge Pferde auszubilden und dann zu verkaufen. Oder auch diejenigen, die sich erst einmal keine Gedanken machen und es auf sich zukommen lassen.“ Eines sieht Horn-Karla allerdings als Pflicht für alle Pferdebesitzer: „Sich der Verantwortung bewusst zu sein, die man trägt, wenn man ein Pferd kauft. Denn dazu gehört unweigerlich, eine für das Pferd richtige Entscheidung zu treffen, wenn es nicht mehr so einsetzbar ist, wie man es sich wünscht.“
Plötzlich auftretende Verletzungen können auch für Hobbyreiter Träume platzen lassen. Es bleibt der Frust nach einer häufig langen Behandlungs-Odyssee inklusive hoher Tierarztkosten. Was nicht selten sogar dazu führt, dass der Reiter das Reiten gänzlich infrage stellt. Die Freude am Pferd bleibt auf der Strecke. Stattdessen kommt einem der Gedanke, warum man sich das überhaupt noch antut. Ähnlich kann es auch Reitern gehen, die sich jahrelang um ihren zwar gesunden Rentner kümmern, aber aufgrund seines Alters nicht die Ziele mit ihm erreichen können, die sie mal angestrebt haben. Die Liebe zum Pferd ist da, aber der Wunsch nach anderen Möglichkeiten auch.