Zum Inhalt springen

Drücken Sie Öffnen / Eingabe / Enter / Return um die Suche zu starten

Pferdehaltung und Fütterung: Prof. Dr. Dirk Winter über artgerechte Versorgung und häufige Fehler

„Die Menschen müssen sich fortbilden“, sagt Prof. Dr. Dirk Winter. Wissen ist für ihn der entscheidende Schlüssel zur artgerechten Pferdehaltung. Seines teilt er mit uns.

Was ein Pferd braucht, ist für Prof. Dr. Dirk Winter von der Hochschule Nürtingen-Geislingen ganz klar geregelt. „Das Tierschutzgesetz gibt es vor. Wer dagegen verstößt, hält sich nicht an das Gesetz“, sagt er. In Paragraph zwei des Tierschutzgesetzes steht: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier erstens seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, darf zweitens die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden und muss drittens über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.“

Für Dirk Winter ist damit ganz klar, dass jeder Pferdehalter und -besitzer dazu verpflichtet ist, sein Pferd entsprechend zu versorgen und hinreichende Kenntnisse zu haben. Leider ist die Realität nicht selten eine andere. „Noch immer sehe ich, wie Heu mit mangelnder Qualität verfüttert wird. Das ist ein drasti- sches Beispiel, viel häufiger ist es aber so, dass die Menschen gar nicht wissen, was sie ihren Pferden füttern“, verdeutlicht Dirk Winter.

Gutes Heu ist das A und O in der Pferdefütterung

Seines Erachtens sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass das Raufutter von Pferden im Labor untersucht wird. „Zum einen auf seinen Nährstoffgehalt, zum ande- ren auf mögliche Verunreinigungen und die Keimbelastung.“

Nicht blind füttern

Nur wer weiß, was im Raufutter ist, kann entsprechend ergänzen. „Häufig wird aber blind ergänzt“, bemängelt Dirk Winter. Er wünscht sich, dass mehr Menschen sich mit der Rationsberechnung für ihr Pferd auskennen. „Es geht um eine tierartgemäße Ernährung. Sie muss den anatomischen, physiologischen und ethologischen Grundsätzen entsprechen“, verdeutlicht Winter. Denn beim Fressen geht es auch um Beschäftigung für das Pferd. „Daher halte ich es für absolut erstrebenswert, dass jedes Pferd Weidezugang hat. Die Futteraufnahme auf der Weide kommt dem natürlichen Lebensraum am nächsten.“ Wissenschaftlich erwiesen ist es, dass lange Fresspausen von mehr als drei bis vier Stunden sich negativ auf den Magen-Darm-Trakt des Dauerfressers Pferd auswirken.

„Sogenannte Slow-Feeder wie Heunetze können die Futteraufnahme verlangsamen, besonders bei adipösen Pferden macht dies sicherlich Sinn“, verdeutlicht Winter. Alternativ kann das Heu auch mit gutem Futterstroh gemischt werden. So sinkt die Energiedichte des Raufutters und das Pferd nimmt insgesamt weniger Energie zu sich, ohne dass die Zeit der Futteraufnahme sinkt.

Zu oft zu dick

Dirk Winter beobachtet, dass viele Pferde zu dick sind. „Der Body-Condition-Score hilft sehr gut bei der Beurteilung des Gewichts des Pferdes. Entsprechend kann die Futterration angepasst werden. Aufs Geratewohl sollte dies hingegen nicht erfolgen“, mahnt der
Wissenschaftler. Neben zu großzügigen Futterrationen führe auch Bewegungsmangel dazu, dass viele Pferde zu dick sind. „Ein Pferd sollte in allen Grundgangarten gearbeitet werden. Um als Lauftier ausgeglichen und zufrieden zu sein, braucht es diese Auslastung.“

Für ihn sind geprüfte Proben von Raufutter und Stroh wichtig, um die Gesundheit der Pferde nicht zu gefährden. Heu und Stroh sollte auf Pilzbefall untersucht werden, ge- rade nach den feuchten Sommer- monaten. „Schlechte Qualität gehört nicht in die Pferdefutterration“, unterstreicht Dirk Winter. Weiterbildungen der Pferdehalter und -besitzer sind seines Erachtens essentiell, um Pferde artgerecht und mit Fachkenntnis halten zu können. Darüber hinaus sollte unbe- dingt die Keimbelastung von Heu und Stroh beachtet werden. So können Atemwegserkrankungen bereits vermieden werden. Die Bedampfung kann eine gute Möglichkeit sein, um die Staubbelastung deutlich zu reduzieren.

Stehen? Schädlich!

Für die richtige Funktion der Atemwege ist die Bewegung un- erlässlich. Unter natürlichen Bedingungen bewegen sich Pferde im Sozialverband bis zu 16 Stunden täglich. Meist langsam zur Futteraufnahme. Pferde haben somit einen Bedarf an täglich mehrstündiger Bewegung. Und die ist immens wichtig! Denn mangelnde Bewegung kann die Ursache von Verhaltensstörungen sein und bedingt Schäden, insbesondere am Bewegungsapparat. In allen Pferdehaltungen ist daher täglich für ausreichende, den physiologischen Anforderungen entsprechende Bewegung der Pferde zu sorgen. Und ganz wichtig: Kontrollierte Bewe- gung kann die freie Bewegung nicht ersetzen. Doch nicht nur die Bewegung ist für ein glückliches Pferd wichtig, sondern auch die Möglichkeit zu ruhen: Arttypisch sind mehrere Ruhephasen über den Tag verteilt, im Stehen, in der Bauch- und in der Seitenlage.