Sind Süßigkeiten als Belohnung erlaubt?
Alice ist ein echtes Schleckermaul. Die Leibspeise der Fuchsstute: saftige Mangos. Für Besitzerin und Top-Springreiterin Simone Blum sind die frischen Früchtchen eine ganz besondere Belohnung für besondere Leistungen. Während ihre Alice bei den gelben Tropenfrüchten schwach wird, sagen einige Pferde auch zu anderen ungewöhnlichen Leckereien wie Pfefferminz-Bonbons, Gummibärchen oder Lakritze nicht Nein. Doch was dürfen Pferde wirklich fressen?
Die Frage nach dem „Was“ ist für Dr. Anne Mößeler „vor allem erst einmal eine Frage der Menge“. Will heißen: Die Dosis macht das Gift. Und das fängt schon bei den klassischen Leckerli in Pelletform an. „Zwei, drei Stück nach dem Reiten sind nicht das Problem“, sagt die Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik aus Hannover. Kritisch wird es, wenn Pferdebesitzer das Maß verlieren. „Bekommt ein Pferd jeden Tag fast ein Kilogramm Leckerli, ist das ernährungsphysiologisch schon relevant“, betont Anne Mößeler. Das ist auch bei zugesetzten Mineralien der Fall. „Nur wenn sie zur Gesamtration passen, können diese eine sinnvolle Ergänzung sein.“
Generell gilt: Leckerli sollten nicht wesentlich zur Nährstoffversorgung des Pferdes beitragen. Eine pauschale Antwort auf die Frage nach der täglichen Höchstmenge an Leckerli kann die Fütterungsexpertin allerdings nicht geben. „Auf dem Markt gibt es ganz unterschiedliche Produkte. Gepresste Leckerli sind schwerer als Extrudate wie Maiskeimringe“, veranschaulicht Mößeler mit einem Beispiel.
Was steckt drin?
Aber nicht nur wegen des Gewichts ist Leckerli nicht gleich Leckerli. Auch die Zusammensetzung variiert. Die Basis vieler Leckerli bilden Getreidesorten wie Mais oder Gerste. Für den Geschmack kommen beispielsweise noch Kräuter, Obst- oder Gemüseauszüge hinzu. Auch Farb- oder Aromastoffe können Verwendung finden. Ein Problem für Pferde? „Futtermittelrechtlich darf an Aroma- und sonstigen synthetischen Inhaltsstoffen nichts eingesetzt werden, was nicht zugelassen ist“, beruhigt Anne Mößeler.
Immer mehr im Trend sind getreidefreie und zuckerreduzierte Leckerli-Sorten, zum Beispiel auf der Basis von Wiesengrünmehl. Anne Mößeler empfiehlt diese vorrangig bei Pferden mit einer Getreideunverträglichkeit oder einer Störung im Zuckerstoffwechsel wie EMS (Equines Metabolisches Syndrom). Bei gesunden Pferden und einer moderaten Leckerli-Gabe sollten die enthaltenen Kohlenhydrate in Form von Zucker und Stärke nach Einschätzung der Fütterungsexpertin jedoch auch nicht überbewertet werden. „Vor allem die zugesetzte Melasse, die als natürlicher Klebstoff dient, löst bei manchen Pferdebesitzern regelrechte Panik aus“, berichtet die Tierärztin aus der Praxis. „In den durchschnittlichen Leckerli sind etwa zwei, drei Prozent Melasse enthalten. Wenn Pferdebesitzer 50 Gramm Leckerli am Tag füttern, ist das gerade mal etwa ein Gramm Melasse.“ Versteckter Zucker.
Echte Zuckerbomben können dagegen Leckerli aus Apfel- oder Karottentrester sein. „Besonders dann, wenn diese Zutaten ganz vorne in der Liste der Inhaltsstoffe stehen“, weiß Dr. Anne Mößeler. Bis zu 30 Prozent Zucker können die Pflanzenbestandteile, die bei der Saftproduktion übrigbleiben, noch enthalten. Der Grund: „Im Gegensatz zur Zuckerrübe werden sie nach dem Pressen nicht ausgewaschen“, erklärt Anne Mößeler. Egal für welche Leckerei das Pferd eine Schwäche hat, in Maßen darf es ruhig auch mal ein wenig exotischer zugehen – wie bei Simone Blum und ihrer Alice. Auf den nächsten Seiten verraten wir, welche kleinen Naschereien sich das Pferd ab und zu einverleiben darf.
Leckmassen
„Leckmassen sind eine sehr gute Option beim Scheren oder wenn junge Pferde zum Schmied müssen“, sagt Dr. Anne Mößeler. Der Vorteil: Sie sorgen für Ablenkung in unbekannten oder stressigen Situationen und helfen, das Erlebte positiv zu verknüpfen. Zu lange sollte man Pferde an der klebrigen Masse allerdings nicht schlecken lassen. „Viele Pferde kriegen ganze Leckmassen oder Lecksteine an Weihnachten, das macht je nach Produkt bis zu einem Kilogramm Zucker im Trog. Aber das ganze Jahr über hat man sich gefragt, ob das Leckerchen jetzt zwölf oder acht Prozent Zucker hat“, bemängelt Mößeler die Fütterungsmanier mancher Pferdebesitzer. Außerdem wichtig: Manche Leckmassen sind als Mineralfutter konzipiert. „Dort schreiben die Hersteller genau drauf, wie viel Prozent der Tagesration die Fütterung ausmacht.“ Die Gesamtration des Pferdes muss dann gegebenenfalls angepasst werden.
Würfel- und Traubenzucker
Klein und handlich: Würfel- und Traubenzucker lassen sich einfach und praktisch in der Jackentasche verstauen. Der schnelle Energie-Kick für den Menschen. Aber auch eine geeignete Belohnung für Pferde? „Arbeitspferde haben früher durchaus Zucker bekommen. Denn ein gesundes Pferd absorbiert den Zucker einfach und nutzt diesen für die Energiegewinnung“, erklärt Anne Mößeler. „Trotzdem stellt sich mir die Frage, ob man puren Würfelzucker verfüttern muss. Denn man muss auch ganz klar sagen: Das Pferd ist von der Evolution her nicht auf Zucker und Stärke ausgelegt“, gibt die Expertin zu bedenken. Bei Pferden mit einer Störung im Zuckerstoffwechsel oder einer Insulinresistenz sollte man daher lieber zurückhaltend sein. Auch bei stark übergewichtigen Pferden rät Anne Mößeler von den Zuckerwürfeln ab. „Da ist jedes Leckerli auf der Kalorienseite ein Haben-Punkt, den man vermeiden kann.“
Bunte Bonbons
Bonbons, Weingummi und Lakritze sind nicht gerade typische Leckerli für Pferde. Streng verboten oder mal erlaubt? „Die meisten Pferde fressen das ganz gerne, es ist ja auch süß“, sagt Tierärztin Dr. Anne Mößeler. „Aber ich bezweifel doch sehr, dass dafür eine Notwendigkeit besteht, weil es im Grunde purer Zucker ist“, merkt die Fachtierärztin kritisch an und ergänzt: „Daher sehe ich es eher als eine starke Vermenschlichung, die nicht sein muss.“ Das Problem: Die Süßigkeiten bleiben sehr lange an den Zähnen kleben und setzen sich in die Zwischenräume. Vor allem Kaubonbons sind dafür prädestiniert. Auf Dauer eine regelrechte Einladung für Karies und seine Vorstufen. Daher sollten die Süßigkeiten für den Menschen auch lieber im Mund der Zweibeiner landen, die sich danach gründlich die Zähne putzen können.
Pferde-Leckerli
Von Mango-Apfel und Banane-Erdbeere bis hin zu Eukalyptus und Lakritz – die Geschmacksrichtungen von Leckerli-Sorten sind heutzutage so vielfältig wie das Süßigkeitenregal im Supermarkt. Finden Sie heraus, welche die Liebste Ihres Pferdes ist! „Wenn ich Leckerli einsetze, geht es mir darum, dass das Pferd sie gerne mag“, sagt Dr. Anne Mößeler und fügt schmunzelnd hinzu: „Und dass sie in meiner Tasche nicht krümeln." Für einen vermeintlich gesünderen Snack des Vierbeiners greifen einige Pferdebesitzer auch mal selbst zur Backschürze. „Die meisten Rezepte lehnen sich an den Humanernährungsbereich an“, gibt Anne Mößeler zu bedenken. Haferflocken, Mehl, Melasse, Möhrenschnitzel. „Von der Nährstoffzusammensetzung und dem Zuckergehalt ist das nicht besser oder schlechter als andere Leckerchen.“ Denn letztlich gilt auch hier: Die Menge macht‘s. Lange sollte man die selbstgemachten Leckereien allerdings nicht aufbewahren, weil sie schnell verderben. Der Grund: „Sie trocknen außen ein und sind innen noch saftig“, sagt Anne Mößeler.
Frisches Obst und Gemüse
Auch wenn Obst und Gemüse die natürlichere Belohnung für Pferde darstellen, gesünder sind diese nicht zwingend. „Wie viel Zucker in Möhren und Äpfeln steckt, wird völlig unterschätzt. Da fehlt teilweise wirklich die Relation“, sagt Dr. Anne Mößeler klar. Generell gibt es aber keinen Grund, warum Pferde nicht ab und zu mal frische Kost naschen dürfen. Wichtig im Winter: Darauf achten, dass es keinen Frost abbekommen hat. Und auch Fallobst sollte hygienisch unbedenklich sein. Wer Bedenken hat, dass Bananen zu viel Kalium ent-halten, den kann die Expertin beruhigen: „Wenn ein Großpferd zehn, zwölf Kilogramm Heu am Tag bekommt, ist die Kaliummenge, die übers Heu kommt, so exorbitant hoch, da machen die Bananen auch nichts mehr.“ Karotten sind eine sinnvolle Leckerli-Alternative: „Eine Karotte besteht zu 80 bis 90 Prozent aus Wasser und hat damit weniger Energie als ein konzentriertes Leckerli. Der hohe Karotingehalt ist durchaus positiv zu bewerten, insbesondere für die Fruchtbarkeit bei Stuten.“ Achtung: Obst und Gemüse nie kleingeschnitten verfüttern. Eine Schlundverstopfung könnte die Folge sein.
Getrocknetes Obst und Gemüse
Getrocknetes Obst und Gemüse hat gegenüber seinen frischen Vertretern einen entscheidenden Vorteil: Reiter können sie wie ein Leckerli einfach in der Hosentasche verstauen – ohne Kleben und Krümeln. Weniger Zucker enthalten sie jedoch nicht. Im Gegenteil: „Getrocknete Bananenscheiben, die auch in manchen Müslis sind, sind teilweise nochmal kräftig kandiert oder in Honig eingelegt“, betont Anne Mößeler. Viel Zucker für die Pferdezähne. Um zusätzlichen Zucker zu vermeiden, können Pferdebesitzer selbst trocknen, zum Beispiel Apfel- oder Karottenchips. „Dafür die Scheiben einfach in den Backofen geben und danach noch einmal zum Trocknen aufhängen, sonst gammeln sie.“ Wichtig: Obst- und Gemüsechips können massiv quellen. Vorsicht bei den eingesetzten Mengen. Auch getrocknete Hagebutten sind als Leckerli-Ersatz beliebt, vor allem wegen ihren hohen Vitamin C-Gehalts. "Im Normalfall bildet das Pferd davon ausreichend. Bei älteren Pferden kann die Fütterung sinnvoll sein", findet Mößeler.
Dieser Artikel ist erstmals erschienen in Reiter Revue 10/2018.
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