Serie: Das Pferd von innen
Der Dünndarm: Langer Lulatsch
Mixtur für den Futterbrei
Drei Sekrete bearbeiten im Dünndarm die Nahrung, machen den Futterbrei dünnflüssig: das Sekret der Darmschleimhaut, auch Darmsaft genannt, das Sekret der Bauchspeicheldrüse, sowie die Galle, die von der Leber gebildet wird.
Dreiteiler
Gut 25 Meter bringt der Dünndarm des Pferdes aufs Maßband. Die Breite des Dressurvierecks würde also schon mal nicht ausreichen, um den „langen Lulatsch“ darauf auszulegen. Der Dünndarm besteht aus drei Teilen, vom Magenausgang angefangen sind das: der Zwölffingerdarm (etwa 1 Meter lang), der Leerdarm (circa 24 Meter) und der Hüftdarm (bis 0,7 Meter). „Die Länge hängt von der Größe des Pferdes ab. Beim Pony ist er natürlich etwas kürzer, beim Shire Horse etwas länger“, sagt Dr. Judith Winter, Tierärztin in der Klinik für Pferde der Freien Universität Berlin.
Kurz-Trip
Durchschnittlich 1,5 Stunden lang hält sich die Nahrung im Dünndarm auf, ehe dieser sie an Kollege Dickdarm weiterleitet. Höchstgeschwindigkeit des Futterbreis: 20 Zentimeter in der Minute.
Wellengang
Der Dünndarm ist ständig in Bewegung. Seine Muskulatur zieht den Darmkanal wellenförmig zusammen und öffnet ihn wieder. Schrittmacherzellen in der Muskulatur sorgen dafür, dass der Dünndarm ständig in Bewegung bleibt. So schleust er den dünnflüssigen Futterbrei in Richtung Dickdarm. Über die kompletten 25 Meter! Drei bis sechs „Wellengänge“ pro Minute schafft der Dünndarm des Pferdes. Am Ende schießt der stark bemuskelte Hüftdarm den dünnflüssigen Futterbrei portionsweise in den ersten Abschnitt des Dickdarms, den Blinddarm.
Gefährliche Enge
Seine Anatomie ist seine größte Schwäche. „Durch seine ungeheure Beweglichkeit kann sich der Dünndarm verknoten, verlagern, ineinanderschieben, oder kann in irgendwelchen Körperhöhlen festklemmen. Und weil er relativ schmal ist, kann er leicht verstopfen, zum Beispiel mit Strongyliden. Das sind Wurmparasiten, die vor allem Fohlen haben und die etwa halb so dick wie ein kleiner Finger sind. Befinden sich davon mehrere im Dünndarm, können sie das Lumen verstopfen“, so Dr. Judith Winter. Heftige Koliken sind Anzeichen für ein Problem im Dünndarm. Höchste Alarmstufe! Das Pferd ist dann ein Fall für die Tierklinik und muss meist operiert werden. Auch große Mengen strohiges Futter können zu Engpässen führen, vor allem im letzten Abschnitt des Dünndarms. „Hier kommen zunächst Medikamente zum Einsatz. Wenn diese nicht anschlagen, dann hilft nur noch eine Operation“, erklärt die Tierärztin.
Namensgeber
Der Durchmesser – Lumen genannt – des Dünndarms ist schmal, daher sein Name. Etwa zwei Zentimeter misst das Lumen und ist dehnbar auf acht.
Am seidenen Band
Eine Besonderheit des Pferde-Dünndarms ist die Fächer-Form seiner Befestigung. Das sogenannte Gekröse ist eine durchsichtige, mit Blutgefäßen durchzogene Aufhängung. „Es beginnt unterhalb der Wirbelsäule als Gekrösewurzel, die etwa so fest und so groß ist wie eine Faust, und weitet sich dann komplett aus auf den Mittelteil des Dünndarms, sodass diese annähernd 25 Meter von diesem Gekröse versorgt werden“, erklärt Dr. Judith Winter.
Zucker-Spezialist
„Einfache Zucker, wie Fruktose, Glukose oder beim Fohlen Laktose, werden direkt resorbiert. Kompliziertere Zucker, wie Stärke, werden erst über Enzyme gespalten und dann über die Schleimhaut aufgenommen“, erläutert die Tierärztin. Der Dünndarm übernimmt den Löwenanteil der enzymatischen Verdauung von Fetten, Eiweißen, Kohlenhydraten, Mineralstoffen und Vitaminen. Sprich: Der Dünndarm ist das Kraftwerk des Körpers. Mit Grenzen. „Man sollte beispielsweise nicht über zwei Gramm Stärke pro Kilogramm Körpergewicht füttern, weil der Dünndarm nicht mehr aufnehmen kann. Füttert man mehr, geht der nicht verstoffwechselte Zucker in den Dickdarm und führt dort zu Problemen.“
Feine Falten
Von außen betrachtet ist der Dünndarm rosa, hat eine glatte Schleimhaut und ist leicht glänzend. Im Anschnitt ist er ebenfalls rosa und hat eine leichte Faltenbildung. Weil er sich ständig bewegt und nicht aufgeblasen ist, liegen die Schleimhautfalten aneinander. Unter dem Mikroskop zu erkennen sind die Dünndarmzotten, haardünne Strukturen, die die Oberfläche der Schleimhaut noch weiter vergrößern, um möglichst viele Nährstoffe aufzunehmen und zu verarbeiten.
Dieser Artikel ist ersmals erschienen in Reiter Revue 6/2015.
Serie: Das Pferd von innen
Die Leber: Die Lebenskünstlerin
Ohne sie läuft nichts: Die Leber des Pferdes ist ein Tausendsassa, ein echtes Unikat und ein fast unermüdliches Stehauf-Männchen. Spannende Fakten rund um die Leber lesen Sie in Teil 3 der Serie "Das Pferd von innen" präsentiert von EQUIVA.
weiterlesen →