Leseprobe: Fütterung, Haltung und Training alter Pferde
Geliebte Senioren
Entscheidet man sich für ein Pferd, dann entscheidet man sich im besten Fall für viele gemeinsame Jahre. Durch bessere Haltungsbedingungen, Fortschritte in der Tiermedizin und ein breiteres Wissen über die Bedürfnisse von Pferden, gibt es immer häufiger Tiere, die ein hohes Alter erreichen. Fakt ist: Mit dem Alter kommen Veränderungen, besonders gesundheitlicher Art. „Bei alten Pferden gehören Gelenkverschleiß, Stoffwechselveränderungen und Zahnerkrankungen zu den relevantesten Gesundheitsproblematiken“, sagt Dr. Nicole Beusker, praktische Tierärztin und Chiropraktikerin. „Sicherlich bekommen manche Pferde auch Atemwegserkrankungen oder andere Probleme, die sind aber nicht unbedingt altersbedingt.“ Ganz klar hingegen: Mit dem steigenden Alter verlangsamen sich Zellteilung und Zellregeneration, was den Stoffwechsel hemmt und alle Regenerationsprozesse im Körper verkompliziert. „Dadurch kann es sein, dass das Immunsystem weniger schnell reagieren und Erkrankungen schlechter bekämpfen kann“, erklärt Beusker. „Deshalb ist es essenziell wichtig, dass gerade alte Pferde sorgfältig gemanagt und unterstützt werden“, betont die Tierärztin.
Hormon-Achterbahn
Wie sich Hormone auf den Pferdekörper auswirken, ist noch nicht vollständig erforscht, aber klar ist, dass ein hormonelles Ungleichgewicht zu einer Vielzahl von Problemen im Pferdekörper führen kann. Hufrehe, das Cushing-Syndrom oder das Equine Metabolische Syndrom, bei dem der Stoffwechsel verrückt spielt, sind Krankheiten, mit denen ältere Pferde häufiger zu kämpfen haben. „Bei Cushing Pferden ist der der zirkadiane oder auch biologische Rhythmus gestört. Dann sinkt der Cortisol-Haushalt nicht mehr vom Morgen zum Abend hin ab, sondern bleibt konstant hoch“, beschreibt Beusker die Problematik. Betroffene Pferde fallen durch ein auffällig langes Fell, schlechte Bemuskelung, besonders im Bereich des Rückens, häufiges Trinken und Wasserlassen, eine schlechte Wundheilung, lethargisches Verhalten und weitere Symptome auf. Liegt bei einem Pferd Cushing vor, dann leidet es an einem Mangel von Dopamin. Dopamin reguliert die Hirnanhangdrüse. Durch den Dopaminmangel wird das Stresshormon Cortisol vermehrt ausgestoßen. Mit Medikamenten lässt sich Cushing aber gut behandeln. Sie sorgen für eine Eindämmung der Hormonproduktion in der Hirnanhangdrüse. Dadurch wird effektiv verhindert, dass das Pferd unter möglichen Komplikationen von Cushing wie Hufrehe, Trägheit und Fellveränderungen leidet. Cushing ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht heilbar. Zum Glück aber behandelbar.
Ein Großteil der Pferde leidet im Alter unter Arthritis und als Folge an Arthrose. Unter Arthritis versteht man eine akute Entzündung im Gelenk. Diese ist sehr schmerzhaft und kann, wenn sie nicht korrekt behandelt wird, zu einer chronischen Arthrose führen. Bei einer Arthrose wird durch jahrelangen Verschleiß und durch Überlastung die Knorpelschicht in den Gelenken immer dünner und der mangelnde Schutz führt dann zu Schmerzen. „Liegt bei einem älteren Pferd ein Arthrosebefund vor, kann sich dieser sehr unterschiedlich äußern“, sagt Beusker. „Wenn Pferde deutlich lahmen, gehören sie natürlich in tierärztliche Behandlung, damit der Schmerz gelindert werden kann“, fährt sie fort. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, von systemischer Medikamentengabe bis hin zu lokalen Behandlungen am betroffenen Gelenk. Dabei kommen Entzündungshemmer, Hyaluronsäure und weitere Mittel in Frage.
Gelenk-Leiden
„Ansonsten ist bei Arthrose viel Bewegung und die daraus resultierende Beweglichkeit wichtig. Je lockerer und stärker die Muskulatur ist, desto besser kann sie den Bewegungsapparat stützen“, erklärt die Tierärztin. Das hilft, um auch im Alter Sehnen, Gelenke und Bänder zu schützen. Bei Arthrose handelt es sich um einen degenerativen Prozess, der nicht heilbar ist. „Wichtig ist es, ein gutes Team aus Tierarzt, Hufschmied, Osteopath und so weiter zu haben. Sie sollten Hand in Hand arbeiten“, sagt Beusker. Im Idealfall kennen Tierarzt und Co. das Pferd schon lange und können es entsprechend beurteilen und behandeln. „Es gibt Pferde, die 19 Jahre alt sind und denen man ansieht, dass sie viel geleistet haben. Diese Pferde haben Arthrose oder gewisse Alterseinschränkungen und können dann halt nur noch mäßig bewegt werden. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Pferde, die im Alter von mehr als 20 Jahren noch regelmäßig geritten werden und die vor allem von der körperlichen Konstitution deutlich jünger wirken als gleichaltrige Artgenossen“, beschreibt die Tierärztin. „Das Altern hängt von so vielen Faktoren ab. Ein wichtiger Punkt ist: Alte Pferde laufen nicht einfach so mit. Ehrlich gesagt ist eigentlich das Gegenteil der Fall. Alte Pferde brauchen ein noch intensiveres Management als junge, obschon das auch eine Typfrage ist.“
Auf den Zahn gefühlt
„Grundsätzlich sollte man jedes Pferd, solange es keine Auffälligkeiten im Maulbereich und an den Zähnen zeigt, mindestens einmal im Jahr einem Fachmann für Pferdezähne vorstellen“, so die Meinung der Tierärztin. Zeigt ein Pferd eines oder mehrere Symptome für Zahnprobleme, sollte man zur Abklärung einen Tierarzt zu Rate ziehen. Eine Zahnerkrankung, die hauptsächlich bei alten Pferden auftritt, ist die Equine odontoclastic tooth resorption and hypercementosis (EOTRH). Dabei handelt es sich um eine Entzündung des Zahnhalteapparates und des Zahnfleisches. In Folge des entzündlichen Prozesses beginnen die erkrankten Zähne sich aufzulösen (Resorption), gleichzeitig bilden sich an den Zahnwurzeln klobige Ausbildungen von sogenanntem Zahnzement (Hyperzementose). Das Zahnfleisch zieht sich immer weiter zurück und dadurch lockern sich betroffene Zähne. EOTRH ist nicht heilbar, allerdings können Pferdebesitzer durch die regelmäßige Reinigung von Zahnfleisch, Zähnen und Zahnzwischenräumen und durch das Entfernen von Futterresten dazu beitragen, dass sich möglichst wenig Bakterien am Zahnfleisch ansiedeln können. Für eine genauere Vorgehensweise sollte der Tierarzt zurate gezogen werden. Das Putzen mit einer Zahnbürste entfernt Verschmutzungen und regt die Durchblutung des Zahnfleisches an, übrigens etwas von dem auch gesunde Pferde profitieren können.
- Futter bleibt zwischen den Zähnen stecken
- schiefe oder wackelnde Zähne
- unangenehmer Geruch aus dem Pferdemaul
- Schmerzempfindlichkeit am Kopf
- einseitiges Kauen
- auffällige Fressgeräusche
- empfindliche Reaktion auf kaltes Trinkwasser
- ungewöhnliche Kieferbewegungen
- im Trog finden sich Futterwickeln
- übermäßiges Speicheln
- große Futterpartikel im Kot
- Futter, das beim Fressen aus dem Maul fällt
- in extremen Fällen: übelriechender, eitriger, einseitiger Nasenausfluss
- optische Veränderungen an den Schneidezähnen oder am Zahnfleisch