Hufgeschwüre richtig behandeln
Eine dramatische Szene: Plötzlich steht ein Pferd auf drei Beinen auf der Weide. Der Pferdebesitzer vermutet das Schlimmste. Beinbruch! Todesurteil! Nein. „Hufgeschwür“ lautet viel häufiger die Diagnose. Dabei handelt es sich um einen eitrigen Abszess im Hufinnern, der auf die empfindliche Lederhaut drückt und oft so sehr schmerzt, dass das Pferd den betroffenen Huf nicht mehr aufsetzen kann. Um das Hufgeschwür dingfest zu machen, hilft Handauflegen. „Der betroffene Huf ist deutlich wärmer als die anderen und an der Fessel ist eine Pulsation zu spüren“, erklärt Hufschmied Marcus Unterberg. Tierarzt Dr. David Lichtenberg von der Tierklinik Hochmoor fügt hinzu: „Manchmal ist das betroffene Bein auch geschwollen.“ Auslöser dafür gibt es mehrere. Das Pferd kann sich einen Stein oder einen anderen Fremdkörper eingetreten haben oder es hat sich Erde unter dem Huf festgesetzt, die, wenn sie nicht ausgekratzt wird, auf die Sohle drückt. Ebenso kann auch ein stumpfes Trauma, etwa wenn das Pferd mit dem Huf an die Boxenwand schlägt, ein falscher Beschlag oder falsche Hufbearbeitung ein Hufgeschwür auslösen. Oder feuchtes Wetter weicht die Hufe auf und Bakterien haben leichtes Spiel, sich einzunisten und den eitrigen Abszess zu verursachen. Dann sind die Pferde von einem auf den anderen Moment hochgradig lahm.
Im Zweifel sollte immer ein Tierarzt das Hufgeschwür diagnostizieren. „Es muss ausgeschlossen sein, dass nicht etwa ein Haarriss, ein Bruch, ein Nageltritt oder sonst etwas für die Schmerzen verantwortlich ist“, erklärt Dr. Lichtenberg. „Das geht oft nur mit einem Röntgenbild.“ Um dem Pferd bei einem Hufgeschwür den Schmerz zu nehmen, muss man es öffnen und den Eiter abfließen lassen. „Sobald der Kanal geöffnet und der Druck weg ist, geht es dem Pferd sofort besser“, sagt Hufschmied Unterberg. Manchmal brechen Hufgeschwüre auch von alleine auf. Das passiert meistens am Kronrand. „So weit lässt man es besser nicht kommen“, warnt Dr. Lichtenberg.
Doch dazu muss man ihn zunächst einmal orten. Auf keinen Fall darf der Pferdebesitzer selbst mit einem Hufmesser im Huf herumstochern und Schäden anrichten. Der Griff zur Hufzange ist die bessere Alternative. Damit überprüft der Hufschmied oder Tierarzt die Druckempfindlichkeit am Huf. Er setzt die Zange an unterschiedlichen Stellen an und drückt sie leicht zusammen.
Vom Suchen und Finden von Hufgeschwüren
„Zieht das Pferd den Huf plötzlich weg, ist der Übeltäter gefunden“, beschreibt Unterberg den Test. „Es gibt Hufgeschwüre, bei denen ich nur mit dem Messer einmal über die Sohle kratzen muss und schon ist es offen.“ Bei tiefer liegenden Abszessen schneidet der Fachmann ein trichterförmiges Loch in den Huf, damit das Sekret abfließen kann. Ist es schwarz-gräulich und übelriechend, ist das ein gutes Zeichen. Wenn hingegen gelber Eiter austritt, sollten die Alarmglocken schrillen. „Das ist extrem gefährlich“, warnt Unterberg. „Das Hufbein oder der Hufbeinast können betroffen und bereits von den Bakterien angegriffen worden sein. Das Pferd muss sofort in die Klinik.“ Doch nicht immer lässt sich sofort ein Kanal finden. Dann ist der Abszess noch nicht genügend gereift. Dr. Lichtenberg rät in solchen Fällen zu einem feuchten Hufverband. „Feuchtigkeit weicht die Sohle und das Horn auf. Das Hufgeschwür lässt sich leichter öffnen.“ Ob zusätzlich Sauerkraut, gestampfte Kartoffeln oder ein Brei aus gequollener Weizenkleie auf die Sohle gedrückt wird, hält Dr. Lichtenberg für unerheblich. „Hauptsache der Huf bleibt feucht“, sagt er und rät zwei bis drei Mal am Tag ausreichend Wasser in den Hufverband zu gießen.
Nach wenigen Tagen lässt sich der Hufabszess öffnen und dem Pferd geht es sofort besser. Doch damit alleine ist es nicht getan. Denn im Huf bleibt ein Loch zurück. „Das muss vernünftig verhornen, bevor das Pferd wieder belastet werden darf“, sagt Dr. Lichtenberg. „Das dauert meist nur ein paar Tage.“ Damit das einwandfrei passieren kann, muss der Kanal zunächst desinfiziert werden, beispielsweise mit einer Jodlösung. Manche Pferdebesitzer berichten, sie haben das Loch im Huf selbst mit einem gekauten Kaugummi abgedichtet. Davon raten Tierarzt und Hufschmied ab. Es sei zwar gut, darauf zu achten, dass der Kanal sauber bleibt, doch auch das will gelernt sein. Ist der Eiter abgeflossen, steckt Marcus Unterberg Tupfer in das Loch und legt einen trockenen Hufverband an. Dabei muss ein gewisser Druck herrschen. „Zu viel, und das Pferd ist wieder lahm, zu wenig, und die Lederhaut fällt vor.“ Das bedeutet, dass sie austrocknet, sich wölbt und letztendlich entfernt werden muss.
Besonders empfindliche und somit für Hufgeschwüre anfällige Pferden mit dünnen Sohlen seien mit einem Beschlag besser ausgestattet. Barhuf-Pferden bieten passende Hufschuhe im Gelände einen angemessenen Schutz. Kaum ein Pferd wird sein Leben lang von Hufgeschwüren verschont bleiben. Trotzdem kann der Pferdebesitzer vorbeugen. Marcus Unterberg rät einfach: „Hufe auskratzen und pflegen.“ Denn gesunde und intakte Hufen machen es Bakterien schwer, sich einzunisten. Vom guten Eindruck gepflegter Hufe mal ganz abgesehen.
Unsere Experten
Dr. David Lichtenberg hat schon unzählige Hufgeschwüre behandelt. Der Tierarzt der Pferdeklinik Hochmoor in Geschersagt: Vor dem Öffnen ist Feuchtigkeit das A und O.
Marcus Unterberg unterstützt die Tierärzte der Pferdeklinik Duisburg. Die Behandlung von Hufgeschwüre zählt zu den täglichen Aufgaben des Hufschmieds aus Düsseldorf.