Kreislaufprobleme beim Pferd im Sommer
Manchmal fühlt man sich vorher schon nicht so gut, aber oft kommt es auch ganz plötzlich. Auf einmal flimmert es vor den Augen, die Umgebung fängt an, sich zu drehen, Schweiß bricht aus, der Puls rast, das Atmen fällt schwer. Ob nun von Mensch oder Pferd die Rede ist? Im Prinzip von beiden, denn wenn der Kreislauf wegen großer Hitze oder starker körperlicher Beanspruchung verrückt spielt, leiden beide auf dieselbe Weise.
„Im Prinzip sind Pferde für Kreislaufprobleme ebenso anfällig wie Menschen. Auch die Symptome sind vergleichbar. Anstieg von Puls, Atmung und Temperatur, taumelnder Gang, Schweißausbrüche. Auch Hitzschläge habe ich bei Pferden schon erlebt“, bestätigt Dr. Andreas Rupp von der Pferdeklinik Altforweiler im Saarland. Aber was sind Kreislaufprobleme überhaupt? Was spielt sich im Körper ab, wenn er „nicht mehr rund läuft“? Dr. Joachim Onderka, ebenfalls Fachtierarzt für Pferde, erklärt die medizinischen Zusammenhänge: „Bei Herz-Kreislaufproblemen ist die Perfusion, also die Sauer- und Nährstoffversorgung des Gewebes über das Blut gestört. Der Körper zentriert sich und spart an der Peripherie, es werden also nur noch die lebenswichtigen Organe wie Herz und Lungen durchblutet. Die anderen Organe und die Muskulatur dagegen werden dementsprechend schlecht versorgt.“
Hitzefrei statt Hitzestau
Diese Mangeldurchblutung kann, so der Veterinär der Tierklinik Partners in Baden-Württemberg, durch einen plötzlichen Blutdruckabfall, aber auch durch Blutdruckzunahme entstehen. Als Ursache kommt zum Beispiel große Hitze in Frage. „Normalerweise ist das Pferd in der Lage, die eigene Körpertemperatur über die Schweißzellen der Haut gut zu regulieren. Bei Wärmebildung – egal ob durch effiziente Muskelarbeit oder durch Außeneinflüsse – kühlt der Schweiß den Körper ab. Bei großer Belastung kann der Körper die Hitze jedoch irgendwann nicht mehr kompensieren, dann kommt es zu einem Stau. Die Körpertemperatur steigt, lebenswichtige Enzyme können sich verändern. Im schlimmsten Fall kann der Kreislaufkollaps zum Tod führen.“ Bei Kreislaufproblemen durch Überhitzung ist es daher wichtig, den Körper mit Wasser herunterzukühlen. Aber auch die Flüssigkeitsaufnahme ist entscheidend.
Bei Sommerhitze, und die beginnt bereits ab 25 Grad Celsius, da sind sich beide Tierärzte einig, sollte man also unbedingt darauf achten, dass das Pferd immer ausreichend Trinkwasser zur Verfügung hat. Außerdem sollte man nicht in der prallen Sonne mit dem Pferd arbeiten, das Reiten also auf die frühen Morgen- oder die späten Abendstunden verlegen und für genug Schattenplätze auf der Koppel sorgen. Bei Temperaturen über 30 Grad sollte die Arbeit bereits stark eingeschränkt, ab 35 Grad ganz darauf verzichtet werden. Dr. Rupps Leitsatz: „Wenn der Mensch sich nicht mehr vor die Tür traut, soll man auch das Pferd nicht belasten.“
Falls trotzdem mal bei hohen Temperaturen ein Turnier oder ein anderer Wettbewerb ansteht, sollte man zunächst darauf achten, das Pferd nicht zu lange im aufgeheizten Pferdeanhänger stehen zu lassen, sondern ihm zwischen den Prüfungen einen luftigen Schattenplatz zu suchen und ihm immer wieder Wasser anzubieten. „Bei großen Anstrengungen kann man dem Pferd vorbereitend am Turniermorgen auch eine Elektrolyt-Lösung über das Trinkwasser oder das Futter verabreichen“, lautet Rupps Tipp. Natürlich sollte dabei vorher sichergestellt werden, dass die Inhaltsstoffe nicht dopingrelevant sind.
Kolik oder Kreislauf?
Doch bei hohen Temperaturen verlangt nicht nur das Reiten einiges vom Pferdeorganismus ab, wie Dr. Onderka betont: „An richtig heißen Tagen, die in vielen Regionen auch mit hohen Ozon-Werten einhergehen, vermeiden wir es, wenn es irgendwie geht, Pferde zu sedieren, also Beruhigungsspritzen zu geben. Denn das belastet den Kreislauf zusätzlich.“ Gerade bei älteren Pferden sei Vorsicht geboten, aber auch bei Pferden mit entsprechenden Vorerkrankungen, also zum Beispiel mit Herzfehlern oder Atemwegsproblemen. „Asthmatiker und Allergiker sind besonders anfällig für Kreislaufprobleme, aber auch Pferde, die gerade eine Infektion überstanden haben oder frisch geimpft worden sind, sollte man bei Hitze im Auge behalten“, so Onderka weiter.
Obwohl Dr. Onderka einwirft, dass sich die Kolik häufig durch Scharren, gegen den Bauch treten und Hinwerfen des Pferdes von Kreislaufproblemen abgrenzt, sollte in jedem Fall der Tierarzt gerufen werden. „Durch Abhören der Darmgeräusche und gegebenenfalls durch eine rektale Untersuchung kann man abklären, ob es sich um eine Kolik handelt“, versichert Rupp. „Es könnte aber auch ein Kreuzverschlag, also eine Muskelentzündung, hinter den vermeintlichen Kreislaufproblemen stecken“, ergänzt Onderka. „Denn auch dieser macht sich zunächst durch starkes Schwitzen, eine erhöhte Atemfrequenz und einen Anstieg der Körpertemperatur bemerkbar. Das ‚Pumpen’ kann man übrigens an der Flanke und an den weit aufgerissenen Nüstern beobachten.“ Auch die Körpertemperatur des Pferdes kann man selbst messen und dem Tierarzt schon beim Anruf mitteilen, wobei Werte über 39 Grad Celsius kritisch sind.
Keine reine Herzenssache!
Von Medikamenten aus der Para-Medizin, wie Bachblüten oder Rescue-Tropfen, hält Dr. Onderka nichts. „Das Effizienteste ist wirklich die Thermo-Therapie, sprich: Kühlen. Die Beine kalt abzuspritzen ist immer gut, das regt den Kreislauf an, wenn er unten ist.“ Dabei warnt Dr. Rupp jedoch vor zu forschem Vorgehen. „Das Wasser sollte anfangs nicht zu kalt sein und man sollte mit den herzfernen Körperteilen anfangen. Auch Pferde können einen Herzschlag bekommen, gerade beim Abkühlen sollte man vorgehen wie bei Menschen nach der Sauna: erst die Beine, dann vorsichtig den Körper Richtung Herz.“ Hat man den Eindruck, dass es sich beim Kreislaufproblem seines Vierbeiners nicht bloß um eine vorübergehende Sommersorge handelt, sondern dass eine ernsthafte Krankheit dahintersteckt, ist wiederum der Tierarzt gefragt. Dr. Rupp erklärt: „Nicht die Frequenz von Kreislaufproblemen, sondern der Allgemeinzustand des Pferdes ist entscheidend. Bei plötzlichem Leistungsabfall zum Beispiel sollte man das Pferd auf jeden Fall abhören und auf einen Herzfehler hin durchchecken lassen. Auch sämtliche Infektionskrankheiten belasten den Kreislauf und können hinter den Problemen stecken.“ Joachim Onderka führt weiter aus: „Bei Verdacht auf eine Herz-Kreislauf-Erkrankung wären ein EKG, ein Herz-Belastungstest unter standardisierten Bedingungen und auch eine Ultraschall-Untersuchung des Herzens die nächsten diagnostischen Verfahren.“
Obwohl gut trainierte Pferde in der Regel weniger mit Kreislaufproblemen zu kämpfen haben, da sie körperliche Belastungen generell besser kompensieren können als weniger fitte Vierbeiner, spielt auch die Genetik eine Rolle: „Hoch im Blut stehende Pferde, wie zum Beispiel Araber, die ursprünglich aus Regionen mit extremen Klimaeinflüssen stammen, sind auch bei Sommerhitze sehr belastbar. Stark bemuskelte Pferde, also die schweren Schläge wie Kaltblüter, sind dagegen eher anfällig“, weiß Dr. Onderka. Dr. Rupp hat sogar bei Rappen und anderen dunkelfelligen Pferden eine größere Neigung zu Kreislaufproblemen beobachtet. Diese jedoch zum Sonnenschutz mit hellen Weidedecken auszustatten sei keine effektive Lösung, denn jede Decke erhöhe auch die Gefahr eines Hitzestaus. Wasser, Schatten und Ruhe sind also die besten Mittel gegen Kreislaufprobleme – das gilt für Vier- ebenso wie für Zweibeiner!