Zahnproblemen beim Pferd vorbeugen
Die optimale Zahnpflege für das Pferd
Sie haben gut zu tun. Bestenfalls sind sie im Dauereinsatz. Rund zehn Kilo Heu, drei Kilo Stroh und sechs Kilo Kraftfutter müssen sie täglich zerkleinern und zermahlen, damit der Körper Energie daraus gewinnen kann. Hinzu kommen beträchtliche Mengen Gras, das sie akribisch von den Weiden rupfen. Ein Fulltime-Job. Und dennoch sind wohl die wenigsten Pferdezähne bislang mit einer Zahnbürste in Berührung gekommen. Da stellt sich die Frage, ob der Pferdebesitzer nicht doch etwas mehr tun sollte, als lediglich bei Zeiten den Tierarzt ins Maul des Pferdes schauen zu lassen?
„Die Pferdezähne arbeiten heutzutage nicht mehr so, wie es die Natur einmal für sie vorgesehen hat“, erklärt Tierärztin Julia Wasse aus Münster. „Ursprünglich ernährten sich Pferde ausschließlich von silikatreichem Steppengras, das die Zähne abnutzte.“ Innerhalb eines Jahren rieben sich so bis zu drei Millimeter von den Schneidezähnen und fünf bis acht Millimeter von den Backenzähnen ab. Um diese Länge schieben die Zähne aus dem Zahnfach in die Maulhöhle wieder nach. Klug von Mutter Natur, schlecht für unsere Pferde, die heutzutage nur noch circa sechs Stunden mit der Nahrungsaufnahme verbringen – ursprünglich waren es einmal um die 20. Und das, was sie fressen, ist selten hart genug, um die Zähne genügend abzunutzen. Um Zahnprobleme zu vermeiden, muss der Tierarzt her. Einmal jährlich heißt es: Abrieb simulieren – mit Sedierung, Maulgatter, Raspel und Schleifmaschine. „Der Tierarzt oder Dentist kürzt die Zähne, indem er sie abschleift. Unregelmäßigkeiten und scharfe Kanten werden glattgeraspelt“, erklärt Expertin Julia Wasse.
Verzichten Pferdebesitzer auf diese Behandlung, bilden sich scharfe Kanten, Wellen und Haken an den Pferdezähnen. So kann das Pferd sein Futter nicht mehr ausreichend zerkleinern. Die scharfen Kanten verletzen die Schleimhäute, was zu Entzündungen führen kann. „Einmal jährlich sollte sich der Tierarzt die Pferdezähne anschauen und gegebenenfalls behandeln“, so Wasse.
„Junge Pferde bis fünf Jahre und alte Tiere ab 15 Jahren sollten sogar zweimal im Jahr zur Gebiss-Kontrolle.“
Sind Verfärbungen schlecht?
Mit einem strahlend weißen Hollywood-Lächeln können nur die wenigsten Pferde punkten. Gelblich-bräunliche bis schwarze Verfärbungen an den Zähnen sind keine Seltenheit. Ein Grund zur Sorge? Julia Wasse gibt Entwarnung: „Sind die Pferdezähne dunkel verfärbt, ist das kein Zeichen von schlechten Zähnen. Es sind meistens Farbstoffe aus dem Futter, die sich an den Zähnen ablagern. Besonders Pferde in Moor-Regionen haben häufig dunklere Zähne, da das Weidegras mehr Farbstoffe enthält.“ Wohingegen Verfärbungen unbedenklich sind, sollte jeder Pferdebesitzer aufmerksam werden, sobald das Pferd unangenehmen Maulgeruch hat. „Das kann auf Karies oder gebrochene Zähne hindeuten“, so Wasse. „Oder es haben sich Futterreste in den Zahnzwischenräumen angesammelt, die zu faulen beginnen. Bakterien, die daran beteiligt sind, können Entzündungen verursachen.“
Und was bringt nun Zähneputzen?
Um es kurz zu machen: gar nichts. Der Pferdezahn besteht aus drei Komponenten: dem Zahnschmelz, dem Dentin und dem Zahnzement. Letzterer ummantelt den Pferdezahn, ist gelblich gefärbt und hat eine weiche, poröse Struktur. Er sorgt für den festen Halt des Zahns im Zahnfach und schützt das darunterliegende Dentin. Das Zahninnere besteht aus Zahnschmelz. „Beim Menschen bildet der Zahnschmelz die Zahnoberfläche“, erklärt Julia Wasse. „Regelmäßige Reinigung schützt vor Zahnsteinbildung. Auf der porösen Oberfläche des Pferdezahns bildet sich normalerweise wenig Zahnstein. Ständiges Kauen langer Fasern reinigt die Zähne.“ Es muss also nicht gleich die Zahnbürste sein: „Die beste Zahnpflege für Pferde ist genügend Raufutter“, rät die Expertin. „Kraftfutter, das Luzerne enthält und Zahnabrieb sowie Speichelbildung fördern soll, ist zu bevorzugen.“
Hat mein Pferd Zahnweh?
„Zeigt sich das Pferd beim Reiten widersetzlich, kann das auf Zahnschmerzen oder Schmerzen in der Maulhöhle hindeuten“, erklärt die Tierärztin. „Meist sind es Kanten und Haken, die durch unregelmäßigen Abrieb entstanden sind und nun beim Reiten mit Trensengebiss stören oder die Schleimhäute verletzen. Diese kann der Tierarzt gut glätten.“ Auch wenn dem Pferd Kraftfutter aus dem Maul falle oder es Heuwickel ausspucke, müsse nach den Zähnen geschaut werden. „Dann kann das Pferd sein Futter nicht mehr richtig kauen und einspeicheln, was wiederum Verdauungstörungen auf den Plan rufen kann“, so Julia Wasse.
Können Pferde eigentlich auch Karies bekommen?
„Eher selten“, berichtet die Tierärztin. „Falls doch, wird der Zahn in der Regel gezogen. Aufgrund ihres Aufbaus und des ständigen Vorschubs in die Maulhöhle sind Füllungen in den Pferdezähnen fast unmöglich. Einzige Ausnahme bilden die Schneidezähne.“ Jungen Pferden bis zum fünften Lebensjahr kann der Zahnwechsel Schmerzen bereiten. Fallen die sogenannten Milchkappen nicht von alleine aus, muss der Tierarzt sie entfernen. „Manchmal macht auch der Wolfszahn Probleme“, berichtet die Veterinärin. Dieser kleine Zahn – der nicht mit den Hengstzähnen zu verwechseln ist – sitzt vor dem ersten Backenzahn im Oberkiefer. Aufgrund dieser Lage kann es vorkommen, dass das Trensengebiss unangenehm ist. „Dann muss der Wolfszahn entfernt werden“, rät Julia Wasse. Auch bei einem verspannten Rücken sei laut Expertin ein professioneller Blick ins Pferdemaul angebracht: „Ein verschlepptes Zahnproblem kann zu Rückenschmerzen führen. Das wird deutlich, wenn das Pferd den Rücken beim Reiten festmacht.“
Wie kann man vorsorgen?
Äste von Bäumen wie Pappel, Weide oder Birke, die im Auslauf parat liegen, um nach Lust und Laune angeknabbert zu werden, eignen sich dagegen gut für die zusätzliche Zahnpflege.
Äste von Bäumen wie Pappel, Weide oder Birke, die im Auslauf parat liegen, um nach Lust und Laune angeknabbert zu werden, eignen sich dagegen gut für die zusätzliche Zahnpflege.
Was das Pferd in den Trog bekommt, kann der Besitzer oft nicht beeinflussen. Doch kann er darauf achten, dass sein Pferd täglich genügend Heu – die Faustregel lautet: 1,5 Kilogramm pro 100 Kilo Körpergewicht – zu fressen bekommt, um die Zähne bestmöglich abzunutzen. „Wichtig ist außerdem, dass das Pferd sein Heu vom Boden frisst“, so die Zahnexpertin, „denn das ist die natürliche Fresshaltung des Pferdes.“ Dabei wölbe es laut Wasse nicht nur seinen Rücken auf, sondern schiebe auch den Unterkiefer nach vorn. „Das führt zu einem gleichmäßigen Zahnabrieb.“ Zudem solle der Pferdebesitzer sparsam mit Leckerli und Äpfeln umgehen. Zuckerwürfel sollten eine seltene Ausnahme sein. „Zu viel Zucker kann den Zähnen schaden, ebenso zu viel Säure. Außerdem ist der Zahnabrieb beim Verzehr von Saftfutter gleich null“, erklärt Wasse. Genügend Raufutter, regelmäßige Kontrollen und hier und da ein Ast zum knabbern: Vielmehr braucht es nicht für ein rundum gesundes Pferdegebiss. Ganz nach dem Motto: Damit Ihr Pferd auch morgen noch kraftvoll zubeißen kann!