Die größten Gefahren im Stall
Es ist die mangelnde Sachkenntnis, die einem Pferdeunfall oftmals vorauseilt“, sagt Tierärztin Dr. Katja Kretzer. Viele Unfallerkrankungen, die sie in ihrem Berufsalltag erlebt, sind Folgen aus der Unwissenheit der Halter. „Viele erkennen die Gefahren im Stall oft nicht. Das geht dann meist Jahre gut und dann passiert etwas Schlimmes“, so die Expertin. Sie rät deshalb, allen Pferdefreunden dazu, die „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zu studieren. „In diesem Werk gibt es viele Anregungen und Beschreibungen, die manchem Halter im Stallalltag wirklich weiterhelfen können.“
Zaunhöhe: größer/gleich 0,75 x Widerristhöhe
Durchfressgitter: Stababstand der Senkrechtstäbe = 30 bis 35 cm
Boxen: Boxenfläche für ein einzeln gehaltenes Pferd = (2 x Widerristhöhe) zum Quadrat, Boxenfläche für eine Stute mit Fohlen = (2,3 x Widerristhöhe) zum Quadrat
Quelle: Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten
Herausstehende Nägel und Haken in Brettern
Was kann passieren? Das Pferd kann sich mit einer schnellen, unachtsamen Bewegung am Kopf oder Bein verletzen. Zudem kann jeder lose sitzende Nagel unbemerkt in Einstreu und Futter gelangen. Oder ein Pferd tritt aus Versehen in den Nagel, der am Boden liegt.
Verletzungen: Nageltritte, Platz-, Schürf- und Risswunden
Wie lässt sich die Unfallgefahr minimieren? „Herumliegende Nägel von Reparaturarbeiten auf der Anlage oder an Schmiedeplätzen sofort entsorgen. Deshalb unbedingt Fegen, nachdem der Hufschmied da war“, ist ein genereller Rat von Katja Kretzer. Bei Holzmaterialien regelmäßig auf herausstehende Nägel achten. Diese am besten mit einem Kuhfuß sofort entfernen!
Lecksteinhalter aus Kunststoff oder Metall
Was kann passieren? Das Pferd tritt gegen die Halterung, es brechen Teile ab und das Tier verletzt sich an den Kanten oder dem Befestigungspin.
Verletzungen: „Im schlimmsten Fall kann es zu tiefen Verletzungen bis auf Bänder und Sehnen kommen“, sagt Tierärztin Kretzer.
Wie lässt sich die Unfallgefahr minimieren? Halterung nicht zu tief am Boden befestigen. Bei Schäden des Lecksteinhalters, diesen sofort austauschen.
Unebene Paddockmatten
Was kann passieren? Der Sand wird aus den Gittern herausgespült, und diese treten mit der Zeit aus dem Boden. Das Pferd stolpert über die Matten oder rutscht aus.
Verletzungen: „Zerrungen von Bändern und Sehnen, aber auch Schürfverletzungen sind möglich“, sagt Kretzer.
Wie lässt sich die Unfallgefahr minimieren? Genug Sand auf die Paddockmatten streuen. Diese vom Fachmann gegebenenfalls austauschen lassen.
Deckenhalter und Zubehör in Boxennähe
Was kann passieren? Das Pferd spielt mit losen Gegenständen, die es von der Box aus erreichen kann. Oder es beißt in Gegenstände wie den Deckenhalter.
Verletzungen: „Beim Beißen in feste Gegenstände, verhaken sich die Tiere mit dem Maul und brechen sich beim unkontrollierten Zurückziehen des Kopfes Zahnfächer oder Kieferabschnitte“, so Kretzer.
Wie lässt sich die Unfallgefahr minimieren? Alle Utensilien und Gegenstände aus der Reichweite des Pferdes entfernen.
Herumstehende Besen und Mistforken
Was kann passieren? Das Pferd tritt gegen den Gegenstand und wird von diesem getroffen.
Verletzungen: „Häufig zunächst unkompliziert erscheinende kleine Stichverletzungen der Gliedmaßen, deren Ausmaß erst nach einiger Zeit bemerkt wird“, spricht Kretzer aus Erfahrung. „Auch geschwollene Gliedmaßen sind möglich.“
Wie lässt sich die Unfallgefahr minimieren? Stallwerkzeug fernab vom Pferd oder in einer Hängevorrichtung lagern. Pferd beim Misten fernab der Box parken.
Zu wenig Einstreu in der Box
Was kann passieren? „Enthält die Box zu wenig Einstreu, kann das Pferd beim Aufstehen ganz leicht auf dem urinfeuchten Betonuntergrund ausrutschen“, sagt Kretzer. Wenig oder feuchte Einstreu bedeutet zudem eine unkomfortable Liegefläche, sowie das Austreten von Dämpfen.
Verletzungen: Hautverletzung durch Liegeschwielen, Schädigung der Atemwege durch Ammoniak, stumpfe Traumata der Beckenglieder durch Ausrutschen
Wie lässt sich die Unfallgefahr minimieren? Regelmäßig ausmisten und ausreichend einstreuen.
Defekte Bretter und große Abstände bei Fressgittern
Was kann passieren? „Überall, wo große Abstände in Absperrungen vorhanden sind, kann der Pferdefuß hängen bleiben. Bei Fressgittern für die Fütterung von Raufutter besteht die Gefahr, dass Pferde ihren Kopf um benachbarte Stäbe wieder einfädeln“, so die Tierärztin.
Verletzungen: Schürfwunde, Sehnenverletzung, im schlimmsten Fall Genickbruch
Wie lässt sich die Unfallgefahr minimieren? Boxen regelmäßig nach losen Brettern absuchen und wieder befestigen. Auch Fressgitter regelmäßig auf Beschädigungen kontrollieren. Die Abstände nach den Leitlinien (s. Kasten) einhalten.
Heunetz hängt in Beinnähe
Was kann passieren? Das Pferd scharrt mit dem Huf, fädelt sich mit dem Bein in die Maschen ein und bleibt im Heunetz hängen.
Verletzungen: Strangulationsverletzungen der Gliedmaßen, bis zu Verletzungen der tiefen Hautschichten
Wie lässt sich die Unfallgefahr minimieren? Das Heunetz nie auf Fußhöhe des Pferdes hängen. Es bieten sich auch sogenannte Heusäcke an, die nur ein Fressloch besitzen.
Durchhängende Stromlitzen am Zaun
Was kann passieren? Das Pferd kann sich die Stromlitze um den Fuß wickeln.
Verletzungen: Strangulation an unteren Gliedmaßen und in der Sprunggelenksbeuge, bis hin zu Sehnenscheiden und Gelenkverletzungen
Wie lässt sich die Unfallgefahr minimieren? „Der Zaun sollte im Idealfall auf mehreren Sicherheitsprinzipien beruhen. Ein Bretterzaun bietet Sichtschutz, eine straff und immer unter Strom stehende Litze hält die Tiere fern“, erklärt Kretzer.
Dieser Artikel ist erstmals erschienen in Reiter Revue 7/2015
Gefahren erkennen, Unfallrisiken minimieren Einer von fünf Reitern verletzt sich in seiner Reitkarriere schwer. So hieß es vor einigen Jahren in einer Studie. Übertrieben oder Tatsache? Eines zeigt sich immer wieder: Viele Unfälle, an denen Pferde beteiligt sind, lassen sich verhindern.Wie gefährlich ist der Reitsport?