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Tierrettung nach der Flut in Valencia

„Das Ausmaß der Zerstörung ist unfassbar“​

Die verheerende Flut Anfang November in Valencia hat unzähligen Menschen und Tieren das Leben gekostet. Die inoffizielle Zahl der toten Pferde liegt bei 3.000. Marion „Conny“ Poock von der Organisation Equitrans e. V. war wenige Tage nach der Katastrophe vor Ort, um zu helfen. Jetzt, zwei Monate später, sei gerade mal das Chaos beseitigt.​

Das verheerende Ausmaß des Hochwassers in Valencia. Es hat Menschen und Tieren das Leben gekostet. Es wird dauern, bis sich die betroffenen Regionen davon erholt haben.

Conny, wann bist du nach Valencia gefahren und mit welchen Erwartungen?

Ungefähr zehn Tage nach der Flut. Mercedes Barrachina hatte uns um Hilfe gebeten. Ihr Sohn reitet international, sie hat einen Reitstall, der aber nicht betroffen war. Sie wollte helfen und bat uns um Unterstützung. So flog ich nach Spanien, um erst mal die Struktur herzustellen.

Wie muss man sich das vorstellen?

Mercedes erzählte, dass sie ein Grundstück habe und Lagerkapazitäten für Spenden, die wir von dort aus verteilen könnten. Ich habe mir zunächst vor Ort alles angesehen, um einschätzen zu können, wie viel Hilfe benötigt wird und was leistbar ist. Wir haben eng mit der Deutschen Gesellschaft der Tierretter und untergeordneten Vereinen zusammengearbeitet. Sie waren zeitgleich mit mir dort im Einsatz. Bei Mercedes hatten wir unseren Sammelpunkt – für die Tasse Kaffee morgens und um zu besprechen, wer, wann, was, wo macht. Man denkt nicht weiter darüber nach, sondern fängt einfach an zu machen.

Was hast du vor Ort gesehen?

Nichts, was ich im Ahrtal nicht schon gesehen hätte, dort waren wir auch. Man gewöhnt sich an einiges, jedoch nicht an die toten Tiere, die man auch Tage und Wochen später noch entdeckt, wenn man durch so ein Gebiet fährt. Ich bin in Valencia direkt am ersten Abend mit rausgefahren, habe Futter für Pferde weggebracht. Was ich gesehen habe, war ein ständiger Wechsel aus unversehrtem Gelände, wie bei Mercedes und ihrer wunderschönen Reitsportanlage, und der totalen Zerstörung mit aufgestapelten Autos.

Diese Diskrepanz ist schwer zu ertragen. In einem Moment könntest du die Mandarinchen von den Bäumen pflücken, und dann fährst du über die Autobahn und stehst vor der Zerstörung von drei Kilometern Länge. Und dann siehst du da irgendwo drei Pferde mitten im Gerümpel – tot oder lebendig. Erschwerend hinzu kommt, dass in den betroffenen Gebieten die Böden kontaminiert und die Wasserleitungen zerstört sind. In Spanien war dieses unfassbare Ausmaß zu erkennen, eine Größenordnung, bei der du dich fragst, wie wollen die das jemals bewerkstelligen? Insgesamt waren 450.000 Hektar mit 75 Gemeinden betroffen, davon waren 25.000 Hektar komplett überschwemmt.

Tierretter in Valencia versorgen ein Pferd.

Wie viele Pferde konntet ihr retten?

Die genaue Zahl kann ich dir nicht sagen, weil das Netzwerk da unten riesig ist. Über die Tierrettung und uns sind ungefähr 163 Pferde und Esel von uns abhängig. Die inoffizielle Zahl der toten Pferde lautet aber 3.000.

Wo habt ihr Pferde untergebracht, die ihr retten konntet?

Wir haben zum Beispiel ein kleines Pony gefunden. Wir wissen nicht, zu wem es gehört. Abolito heißt er jetzt. Das war eine kleine Sensation. Er ist 28 Jahre alt und hat 13 Tage ohne Wasser und ohne Futter in so einem Flussbett festgehangen. Er kam direkt in die Uniklinik.

Wir haben bei Mercedes und einem Mann namens Augustin Tiere untergebracht. Augustin hat bei uns den Spitznamen „Il comandante“, weil er in der Armee war. Laufenten, Schweine, Schafe, Truthähne, zwei Pferde, Esel, Hundewelpen, Katzen – er hat sie alle auf seiner Finca aufgenommen.

Was fehlt den Pferden in erster Linie?

Futter, Futter, Futter. Was ihnen gesundheitlich noch alles fehlt, weiß ich noch gar nicht, und wir kriegen die auch gar nicht alle behandelt. Alle schweren Fälle sind in der Uniklinik. Alle Folgeerscheinungen können wir noch nicht überblicken, weil alles immer noch zu aktuell ist. Es ist gerade mal die Chaosphase vorbei. Die Katastrophe ist noch da.

Wie muss man sich die Verhältnisse für die Pferde vorstellen?

Wir haben Pferde gehabt, die standen in Notboxen. Da haben die Leute an der Leitplanke irgendwelche Boxen zusammengezimmert. Ein Pferd haben wir vorgefunden, das hatten Leute aus der Flut gerettet, und es hatte Zwiebeln und Apfelsinen im Trog – die Leute wussten es einfach nicht besser. Das Pferd steht jetzt bei Augustin.

Dann muss man wissen, dass in den betroffenen Gebieten die Böden komplett kontaminiert sind, und die Wasserleitungen sind abgerissen. Es gibt Stallungen, die nie wieder aufbaufähig sind, weil sie unterspült worden sind. Die Pferde, die dort lebten, sind jetzt überall verteilt, entweder in Boxen und, wenn sie ganz großes Glück haben, in Paddocks.

Wie steht es um die Solidarität der Spanier, wenn es um Pferderettung oder um Tierrettung geht?

Großartig. Die Menschen sind unglaublich engagiert. Ich habe viele Menschen erlebt, die unentgeltlich arbeiten, die machen und tun. Die Armee arbeitet unermüdlich und hat alles freigeräumt. Jeder, der zwei Füße und zwei Hände hat, ist unterwegs. Die Polizei hat ganz klar gesagt: Wenn ihr Tiere gerettet habt, wenn ihr irgendwo durchfahren müsst, sagt Bescheid.

Um Valencia ist ständig Stau, und natürlich sind Polizei und Feuerwehr im Einsatz, um Menschen zu bergen. Mercedes hatte uns beispielsweise ihren Zweier-Transporter zur Verfügung gestellt. Mit dem sind wir durch die Gegend gerauscht, und wir hatten, wenn wir ein Pferd hinten draufhatten, freie Fahrt auf der Rettungsgasse mit Polizei-Eskorte. Das hat mir die Gänsehaut rauf und runter gejagt. Das wäre in Deutschland undenkbar.

Ihr habt auch Futter nach Spanien gebracht. Was habt ihr bis jetzt alles runterbringen können?

Vor Ort sind 80 Großballen Heu. Wir haben zudem sechs Tonnen Heucobs und für eine befreundete Tierschutzorganisation 32 Paletten mit Pferdefutter, Hundefutter und Katzenfutter runtergebracht. Der nächste LKW, der geplant ist und von uns aus Borken startet, hat Hundefutter, Katzenfutter und Zubehör für die abgesoffenen Tierheime geladen. Da kommen noch mal Heucobs dazu.

Der Transport ist über eine spanische Spedition gesichert. Dann haben wir aber noch zwei Züge Heu, die wir jetzt zwingend hinbringen müssen.

Wie kann man in solchen Situationen als Unbeteiligter am besten helfen?

Ganz klar, durch Geld. Heucobs und Heu gibt es eben gerade in Spanien nicht vor Ort zu kaufen. Hundefutter und Katzenfutter eigentlich schon, nicht direkt im Flutgebiet, aber drumherum. Wenn wir ein bisschen freie Hand haben, um diese Dinge dann zu organisieren, dann ist uns Geld in der Akutphase die größte Hilfe.

Wir werden jetzt noch in die Phase kommen, in der wir betroffene Ställe mit Sachspenden unterstützen können. Da sind wir aber über die Katastrophe im Ahrtal noch gut ausgestattet – mit Sätteln, Decken, Gamaschen und so weiter. Wir sind zutiefst dankbar für Sachspenden, aber sie machen eine unglaubliche Arbeit, weil sie kontrolliert, erfasst, monetär bewertet und dann auch thematisch gepackt werden müssen.

Und wir sind diesmal zutiefst dankbar. In der Chaosphase kann das der Verein hier nicht leisten. Deshalb sind Geldspenden so wertvoll.

Das Interview haben wir im Dezember 2024 geführt – es erschien erstmals in der Februar-Ausgabe.

Über Equitrans e. V.: Tierschutz, Katastrophenschutz, Seelsorge und Bildung – Marion „Conny“ Poock, die früher selbst bis zur schweren Klasse Dressur ritt, hat 2019 mit ihrem Mann den gemeinnützigen Verein Equitrans gegründet. Mit einem kleinen Team aus zwölf Ehrenamtlichen helfen sie, wo Hilfe benötigt wird. Auf der Facebook-Seite von Equitrans e. V. kann man sich ein Bild ihrer Arbeit machen und findet die Kontaktdaten.