Beim Aufsteigen stehen bleiben
Ein weit verbreiteter Fehler ist, dass mit vielen Pferden, die gerade angeritten werden, nur von der linken Seite aus gearbeitet wird. Beim Aufsteigen kann dies zum Problem werden, erklärt die Pferdekommunikationswissenschaftlerin Franziska Görwitz aus Berlin. „Die Ausbilder bedienen dabei nur das linke Sichtfeld des Pferdes. Dessen rechte Gehirnhälfte wird also erst einmal gar nicht genutzt.“ Sprich: Wer die ersten Gewichtsübungen, wie Drüberlehnen und vorsichtiges In-den-Bügel-stellen mit dem Pferd erarbeitet, sollte dies nicht nur von der linken Seite aus machen. Denn: „Viele Pferde reagieren mit Panik, wenn der Reiter auf ihrem Rücken sitzt und sie ihn zum ersten Mal mit dem rechten Auge wahrnehmen.“ Beidseitiges Training ist für das Anreiten demnach extrem wichtig.
Geht es weniger um Angst vor dem Reiter, als vielmehr um fehlende Erziehung, wird es Zeit, die Beziehung zwischen Reiter und Pferd zu analysieren. Franziska Görwitz beginnt mit der Frage nach der Halfterführigkeit. „Jeder sollte das einmal testen: Steht mein Pferd, wenn ich stehenbleibe? Geht es prompt mit, wenn ich gehe? Versucht es, mich zu überholen? Bleibt es am durchhängenden Zügel neben mir stehen, ohne ungeduldig zu werden, mich anzustupsen oder sich ohne Aufforderung zu bewegen?“
Dies gelte auch für den Beginn der Arbeit mit einem jungen Pferd. Die Basis muss stimmen. „Erst wenn das Pferd entspannt, am durchhängenden Strick neben mir steht, kann ich den Sattel auf den Rücken legen“, erklärt Franziska Görwitz. Wichtig dabei ist, dass das Pferd jeden Schritt sieht, den der Reiter tut und diesen entspannt zur Kenntnis nimmt. „Bewegt sich das Pferd einen Schritt vor, korrigiere ich diesen zurück“, so Görwitz. „Bleibt es ruhig stehen, lobe ich es, indem ich es sozusagen aus der Situation erlöse und eine Runde führe.“ Dies muss von beiden Seiten erfolgen, damit das Pferd sowohl in der linken, als auch in der rechten Gehirnhälfte abgespeichert hat, dass die Situation ungefährlich ist.
Nicht neu anführen!
Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings auch, dass es ein weitverbreiteter Fehler ist, das Pferd neu anzuführen, wenn es versucht, aus der Situation auszusteigen, indem es ohne Aufforderung einen Schritt nach vorne geht. Besonders bei der Nutzung fester Aufstiegshilfen führen die Reiter ihre Pferde gerne neu an, um sie wieder passend an der Aufstiegshilfe positionieren zu können. „Dadurch signalisieren sie dem Pferd aber, dass der Schritt nach vorne eine Erlösung ist“, übersetzt Görwitz das Verständnis des Pferdes. Und damit hat sich der Reiter einen Teufelskreis geschaffen.
Geschickter sei es, das Pferd immer direkt in der Bewegung zu korrigieren. Macht es einen Schritt nach vorne, sollte der Reiter es mit Ruhe, aber bestimmt einen Schritt zurück lotsen. Weicht es mit der Kruppe aus, wie es viele Pferde bei befestigten Aufstiegshilfen gerne machen, ist es sinnvoll, sich einen Helfer zu organisieren. „Der sollte aber nicht versuchen, die Kruppe herumzudrücken“, gibt Franziska Görwitz als Tipp. Die Reaktion, die viele Reiter als logisch betrachten, birgt nämlich die Gefahr, dass das Pferd dann erst recht versucht, nach vorne auszuweichen. Besser sei es, das Pferd in die Richtung zu stellen, in die es mit der Kruppe ausgewichen ist – meistens also nach rechts. „Richtet man das Pferd nun rückwärts, wird es automatisch mit der Kruppe wieder nach links ausweichen. Das ist anatomisch die einzige Möglichkeit. Und damit ist es dann wieder in der Spur“, sagt Franziska Görwitz. Steht das Pferd nun etwas zu weit hinter der Aufstiegshilfe, darf es einen Schritt vortreten. „Dauerhaft lässt sich das Pferd auch von der Aufstiegshilfe aus lotsen. Denn wenn es erst einmal begriffen hat, was von ihm verlangt wird, reagiert es viel feinfühliger auf die Signale.“