Wenn Pferde beißen
Münster - Eigentlich gibt es nur einen Grund, warum ein Pferd nach Artgenossen oder dem Menschen schnappt: Die Rangordnung steht nicht fest. Davon ist Susanne Suberg, Monty Roberts Instruktorin, überzeugt. Sie sagt, dass beißende Pferde oft nicht gelernt haben, Abstand zum Menschen einzuhalten. Dabei sei Abstand ein Zeichen des Respekts: „In einer Herde weicht kein ranghohes Tier einem rangniedrigerem, das sich seinem Futterplatz nähert. Aber genau das tun Menschen, wenn sie Pferde aus der Hand füttern. Und stellen damit selbst ihre ranghohe Position in Frage“, so Suberg, die sich in ihrem Idsteiner Trainingszentrum auf Problempferde spezialisiert hat. Eine der Hauptursachen für das Beißen ist ihres Erachtens deshalb das Füttern aus der Hand. „Das Pferd lernt dadurch, den Körper des Menschen mit Futter zu verbinden. Rohe Pferde schnappen nicht nach dem Menschen. Es ist ein anerzogenes Problem“, berichtet Suberg. Meist beginne es harmlos: „Anfangs knabbern die Pferde beim Leckerli-Geben. Damit fragen sie vorsichtig an, ob sie auch beißen dürfen. Der Mensch willigt unbewusst ein, wenn er in solchen Fällen nicht reagiert und sich respektablen Abstand verschafft.“
Niemals aus der Hand füttern
Die erste und wichtigste Maßnahme bei einem Beißer sei es deshalb das Füttern aus der Hand direkt einzustellen. Und zwar zu 100 Prozent. Ihrer Erfahrung nach ändert sich nichts, wenn es immer wieder Ausnahmen gibt. „Mit Anschreien oder einem Schlag auf das Beißen zu reagieren, ist kontraproduktiv. Das Pferd beißt dann wieder zurück.“ Besser sei es, Situationen vorauszusehen und das Pferd dann direkt auf Abstand zu halten. „Mit einem konsequenten Auftreten verschaffe ich mir Respekt. Das Beißen kann man schnell wieder aus dem Pferd trainieren, wenn ich dem Tier klare Grenzen setze. Und auch wirklich jeder, der mit dem Pferd zu tun hat, genauso klar agiert“, beschreibt Susanne Suberg ihren Lösungsansatz.
„Bei uns im Betrieb haben wir kein Problem mit Beißern“, erklärt Gerd Sosath, Hengsthalter und -aufzüchter aus Lemwerder. Er unterbindet dieses Verhalten sofort. „Schwierig sind lediglich Fohlen, die mit der Hand aufgezogen wurden. Die haben ein zu großes Selbstbewusstsein“, lautet seine Erfahrung. Da wären wir also wieder bei dem Füttern aus der Hand.
Denken wie ein Pferd
Prinzipiell ist es für Gerd Sosath jedoch eine Frage der Erziehung, ob ein Pferd schnappt oder nicht. Für Sosath sind in der frühen Prägung des Pferdes deshalb zwei Sachen besonders wichtig: 1. der Herdenaufwuchs des Fohlens und 2. die Gewöhnung des Pferdes an den Menschen. „Unsere Fohlen kommen zunächst zu dritt oder zu viert in kleinere Laufställe, wo wir sie an das Halfter und das Anbinden gewöhnen und sie auch lernen, die Hufe zu geben. Erst danach kommen sie in den Herdenverband.“ Seitdem er das so mache, seien seine Pferde umgänglicher, so der Fachmann. Für ihn gibt es in der Pferdeerziehung zwei Schlüsselwörter: Respekt und Vertrauen.
„Das Verhalten des Menschen muss für das Pferd klar sein. Wenn einer frech wird, darf man auch kurz einmal entsprechend reagieren und laut werden. Danach muss aber alles wieder gut sein. So lernt das Pferd, was es darf und was nicht.“ Schnappt ein Pferd beim Satteln, steckt für Sosath klar ein menschlicher Fehler dahinter. „Wenn der Sattel plötzlich stramm angezogen wird und das Pferd lang angebunden ist, ist es klar, dass es schnappt. Es fühlt sich unwohl.“ Im Vergleich: Würden Sie Ihren Gürtel von jemand Fremden plötzlich ins letzte Loch zurren lassen? Sich in das Pferd hineinzuversetzen und sich durch konsequentes Handeln Respekt zu verschaffen, sind die besten Mittel gegen das Schnappen, sind sich die beiden Experten einig.
„Ziehe ich mit einem Pferd an der Box eines Deckhengstes vorbei, ist es der Instinkt, der ihn die Zähne blecken lässt. Dabei geht es einmal um die Rangordnung und zum anderen auch darum, Stuten abprobieren zu wollen“, so Sosath. Da müsse der Mensch einfach vorausdenken und diese Situationen umgehen. Und das für Gerd Sosath Wichtigste zu guter Letzt: „Vertüddelte Pferde beißen eher zu. Damit tut man weder sich noch dem Pferd einen Gefallen. Pferde müssen Grenzen und ihren Platz kennen.“