Serie: Das Pferd von innen
Der Dickdarm: Ein Kraftwerk
Vierteiler
Der Dickdarm besteht aus vier Darmteilen: dem mächtigen Blinddarm (Zäkum), dem großen Grimmdarm (großes Kolon), im weiteren Sinne dem kleinen Grimmdarm (kleines Kolon) und dem Mastdarm (Rektum).
Sanfter Riese
Acht Meter Länge und bis zu 130 Liter Fassungsvermögen – der Dickdarm macht mit 60 Prozent den Löwenanteil des Verdauungstraktes aus. Der ein Meter lange Blinddarm fasst 18 bis 30 Liter, in den drei bis vier Meter langen großen Grimmdarm passen bis zu 80 Liter. Der kleine Grimmdarm misst drei Meter, der Mastdarm 30 Zentimeter.
Energie-Prozessor
Was viele unterschätzen: Der Dickdarm ist wichtiger Energielieferant! Milliarden nützlicher Mikroorganismen wie Bakterien verdauen strukturelle Kohlenhydrate, Zellulose und schwerverdauliche Fasern, sprich das Raufutter, das vom Dünndarm nicht aufgeschlossen werden kann. „Im Zuge dieser Verdauung des Heus und bis zu einem gewissen Grad des Strohs, kommt es zur Freisetzung von flüchtigen Fettsäuren, die der Energiegewinnung des Organismus dienen“, erklärt Dr. Sonja Berger von der Verinärmedizinischen Universität Wien. Übrigens: Der Mensch ist nicht in der Lage, Zellulose zu verdauen!
Immer in Bewegung
Wie der Dünndarm ist auch der Dickdarm ständig in Bewegung, dank verschiedener Schrittmacher. So durchmischt und transportiert der Dickdarm den Futterbrei. Etwa 40 Stunden verweilt dieser im Dickdarm.
Stockwerkbau mit Staugefahr
Der Dickdarm beginnt mit dem Blinddarm im rechten Bauchteil, etwa im Bereich der Flanke. Oben hat dieser einen Durchmesser von Menschenkopfgröße, in der Mitte ist er oberschenkeldick, nach unten wird er schmaler. Er ist wie ein Komma geformt. Der große Grimmdarm besteht aus zwei u-förmigen Längslagen, „wie Vanillekipferl“, vergleicht Berger. Vom Blinddarm aus beginnt das große Kolon mit der rechten unteren Längslage. Sie zieht nach vorne zum Zwerchfell und dort quer auf die linke Seite (Brustbeinkrümmung). Die linke untere Längslage führt unten nach hinten zum Becken und dort um 180 Grad „ein Stockwerk höher“ in die linke obere Längslage (Beckenkrümmung). Weiter geht’s erneut zum Zwerchfell und dort quer in die rechte obere Längslage (Zwerchfellkrümmung). Die ständig wechselnden Durchmesser des Dickdarms sind extrem anfällig für Verstopfungen.
Angepasste Darmflora
Wussten Sie’s? Rennpferde haben eine andere Darmflora als Weidepferde! „Rennpferde haben mehr von diesen zuckerspaltenden Bakterien, weil sie kohlenhydratreicher und raufaserärmer ernährt werden. Die Darmflora kann sich in gewissem Grad anpassen“, warnt Dr. Sonja Berger. Sehr empfindlich reagiert die Darmflora immer auf plötzliche Futteränderungen. Das Worst Case-Szenario für den Dickdarm ist, wenn das Pferd in die Futterkammer einbricht und plötzlich große Mengen Kraftfutter frisst. Generell gilt: Futterumstellung langsam vornehmen und nicht zu viel Kraftfutter geben! „Zucker und Stärke, die der Dünndarm nicht schafft zu verdauen, verursachen im Dickdarm Fehlgärungen, Übersäuerung des Darminhalts und unter Umständen sogar Hufrehe“, sagt Dr. Berger.
Serie: Das Pferd von innen
Der Dünndarm: Langer Lulatsch
Sein Markenzeichen: seine Länge. Sagenhafte 25 Meter misst der Dünndarm! Meisterhaft manövriert er die Nahrung vom Magen zu Kollege Dickdarm. Aber wehe, wenn es hakt ... Erstaunliche Fakten über den Dünndarm lesen sie im sechsten Teil der Serie "Das Pferd von innen", präsentiert von Equiva.
weiterlesen →Pferdeäpfel-Produktion
„Durch die Höcker, die der kleine Grimmdarm durch seine Muskelschichten aufweist, entsteht die typische Apfelform des Pferdekots“, erklärt Sonja Berger. Für Lagerung und Absetzen der Pferdeäpfel ist der Mastdarm zuständig.
Mythen von der Joghurt-Kur
„Die Gabe von Probiotika, wie Joghurt oder Buttermilch war lange Zeit Mode, allerdings weiß man heute, dass Pferde eher weniger Laktobazillen im Darmtrakt haben. Sie spielen eine Rolle, sind aber weniger beteiligt an den Darmvorgängen als gedacht. Auch die probiotische Wirksamkeit von Hefe ist umstritten“, erklärt Dr. Sonja Berger. Gut für den Dickdarm sind bedarfsgerechte Raufutterportionen über den Tag verteilt, damit er immer etwas zu tun hat, aber nicht überladen wird, ausreichend Wasser und Bewegung, um ein Aufgasen zu vermeiden.
Dieser Artikel ist ersmals erschienen in Reiter Revue 7/2015.