Echte Gefahr: Eichenprozessionsspinner
Münster – Mit ihrem flauschigen Haarkleid geben die schwarz-gelben Raupen des Eichenprozessionsspinners eine putzige Erscheinung ab. Doch Vorsicht: Ihre mit Widerhaken ausgestatteten Härchen haben es in sich. Sie enthalten das Nesselgift Thaumetopoein. Kommt man damit in Berührung, kann der menschliche Körper heftige Reaktionen zeigen. Rote juckende Quaddeln, Entzündungen der Augen und Bronchitis mit asthmatischen Beschwerden durch Einatmen können die Folgen sein. Im schlimmsten Fall droht ein allergischer Schock. Aber genauso wie Menschen kann es auch Pferde treffen: Schwellungen im Kopf-Hals-Bereich, an den Schamlippen und um die Nüstern, Quaddeln an der Bauchwand und Atemnot können Symptome sein. Das Problem: Diese Krankheitsbilder werden bei Tieren noch selten mit dem Eichenprozessionsspinner in Verbindung gebracht. Umso interessanter ist es, ihn einmal ins Visier zu nehmen – denn die Population wächst!
Gift im Haar
Der Eichenprozessionsspinner besiedelt vor allem lichte Eichenwälder, aber vermehrt auch einzelne besonnte Bäume in Wohngebieten, Parkanlagen und Weiden. Anfang Mai schlüpfen die Raupen. Sie durchlaufen fünf bis sechs Entwicklungsstadien, in denen sie sich jeweils einmal häuten, bevor sie sich Ende Juni bis Anfang Juli verpuppen. Gefährlich wird die Raupe ab dem dritten Larvenstadium: „Nach der zweiten Häutung bilden die Raupen die Gifthärchen aus. Kommt man mit ihnen in Berührung, brechen sie ab und das Gift wird freigesetzt“, erläutert Niesar. Eine ausgewachsene Raupe besitzt mehr als 600.000 Brennhaare. „Man muss davon ausgehen, dass die Härchen bis zu zwei Jahre lang schadhaft bleiben“, betont Dr. Niesar. Denn: „Selbst wenn sich die Raupe bereits zu einem Falter verpuppt hat, verbleiben die Häutungsreste mit den Gifthaaren in den filzigen Nestern“, weiß der Experte. Das Tückische dabei: „Die winzigen Härchen werden auch stark mit dem Wind verdriftet. Wie weit das sein kann, hängt von der Thermik, der Windrichtung und der Windgeschwindigkeit ab, so Niesar. „Das können 50, aber auch 300 Meter sein.“ Dementsprechend können sich die winzigen Härchen auch auf der Weide oder im Heu wiederfinden.
Ist das Pferd bereits mit dem Nesselgift in Berührung gekommen und zeigt Symptome, muss der Tierarzt kommen. „Falls allergische Reaktionen auftreten, helfen starke Entzündungshemmer wie Glukokortikoide, also Cortisonpräparate“, sagt Dr. Ann Kristin Barton, Fachtierärztin für Pferde an der Freien Universität Berlin. Bei der Ursachenforschung tappen Tierärzte nicht selten im Dunkeln, weil die Symptome sehr unspezifisch sind. Eitrige Augen werden auf Fliegen geschoben, Quaddeln am Körper können auch durch andere Allergien hervorgerufen werden. Doch spätestens, wenn auf Dauer keine Fliegenmaske oder -decke hilft und starke Schwellungen im Bereich der Nüstern und des Maules hinzukommen, sollten Pferdebesitzer den Eichenprozessionsspinner zumindest im Hinterkopf haben. Vorbeugend können engmaschige Ekzemerdecken aufgelegt werden, um die Haut des Pferdes vor den Brennhaaren zu schützen. Vor dem Einatmen oder Aufnehmen der Härchen auf der Wiese oder aus dem Heu bewahren sie das Pferd jedoch nicht.
Die Gefahr verbannen
Wer Nester in Bäumen am Rande von Weiden entdeckt, sollte das betroffene Areal zunächst einmal großzügig abtrennen oder die Tiere auf eine andere Weide bringen. Auch Spaziergänge oder Ausritte in betroffene Waldgebiete sind tabu, wenn Reiter entsprechende Nester oder auch Schilder sehen, die in Ballungsgebieten vor den giftigen Raupen warnen. Denn Schutz vor den heftigen Reaktionen bei Mensch und Tier bietet vor allem die Vermeidungsstrategie.
Die Beseitigung der Nester sollte ausschließlich durch Spezialisten erfolgen. „Diese saugen die Nester ab, damit die Härchen nicht herunterfallen und Mensch und Tier gefährden. Auf eigene Faust ist das viel zu gefährlich“, warnt Niesar. Manch einer versucht, ein Nest in seinem Garten abzuflämmen. Dabei kann nicht nur die Eiche Schaden nehmen, insbesondere können die Härchen verstärkt aufgewirbelt werden. Da in besonders stark befallenen Waldgebieten beim Absaugen erfahrungsgemäß nicht alle Nester entdeckt werden, setzen Kommunen zusätzlich Biozide zur Regulierung der Populationen ein. Natürliche Feinde wie den Kuckuck oder Insekten wie Brack- und Schlupfwespen gibt es zwar, allerdings entwickeln sich die Insekten zeitversetzt zu ihrer Beute. „Und der Kuckuck ist zwar relativ weit verbreitet, kann aber in keinerlei Art und Weise das Gefahrenpotenzial minimieren“, schränkt Niesar weiter ein. Schließlich frisst der Kuckuck die Raupen, die Härchen aber verbleiben im Nest und können mit dem Wind weitergetragen werden. Deshalb sollten Pferdebesitzer besonders aufmerksam sein, um ihre Tiere zu schützen. Die Inspektion der Weide oder des Raufutters nach Eichenlaub oder Häutungsresten kann ein erstes Indiz sein, wenn Pferde unspezifische Symptome zeigen.