Leseprobe
Der heilige Schritt
Der Schritt ist die am schwersten zu reitende Gangart“, sagt Kerstin Gerhardt. Sie ist Dressurausbilderin im niedersächsischen Bergen und beobachtet: „Der Schritt ist Meisterarbeitet – und wird dilettantisch geritten.“ Ein niederschmetterndes Urteil. Aber bleiben Sie ruhig noch ein bisschen!
Was also macht den Schritt so schwer? Zum einen wird er schlichtweg unterschätzt. Er kommt doch so harmlos daher, jeder kann ihn aussitzen, ist er doch schwunglos. Und dennoch kann so viel schief gehen – und allein das kann man manchmal wörtlich nehmen. Der Schritt ist eine schreitende Gangart. Der Bewegungsablauf: Hinten rechts, vorne rechts, hinten links, vorne links. „Wir haben viermal eine Dreibeinstütze, zweimal die diagonale und zweimal die laterale Stütze, wir haben also acht verschiedene Unterstützungsphasen. Wir haben einen Viertakt in acht Phasen. Ich habe als Reiter achtmal Gelegenheit, den Schritt zu verderben“, bringt es Kerstin Gerhardt auf den Punkt und sieht oft: „Wenig bis keine Nickbewegung, kaum mitgehende Reiterhände, viele aufgerollte Pferdehälse, Pferde, die schleichen oder keinen Viertakt gehen.“ Dabei zeichnet einen guten Schritt doch gerade der Viertakt aus: Er muss in jedem Tempo klar erkennbar sein, ob im Mittelschritt – dem Arbeitstempo –, im starken Schritt oder versammelten Schritt. „Ich muss
immer den klaren Takt sehen und hören“, betont Kerstin Gerhardt. ...