Ingrid Klimke nimmt Stellung zur Kritik um Kandarennutzung
Münster – Vergangene Woche wurde bekannt, dass sich eine Gruppe internationaler Wissenschaftler mit einem Schreiben an den Weltreiterverband (FEI) und die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) gewendet hat, Thema: die Kandarennutzung sowie mögliche tierschutzrelevante Aspekte im Turniersport. Die Absender fügten dem Brief Fotos von sieben Dressurreitern bei, darunter waren auch Bilder von zwei Mitgliedern des deutschen Dressurkaders. Die Aufnahmen sollen bei den internationalen Turnieren in Amsterdam und Neumünster entstanden sein.
Nun meldet sich Ingrid Klimke mit einem ausführlichen Statement zu Wort. Sie stellt klar, dass sie eine offene und wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema begrüßt. „Ich unterstütze jede konstruktive Diskussion über das Wohlbefinden der Pferde“, betont sie. Gleichzeitig warnt sie davor, aus einzelnen Momentaufnahmen vorschnelle Schlüsse zu ziehen. „Pferde sind keine Maschinen, und Reiter sind nur Menschen“, erklärt sie.
Im Fokus der Debatte stehe die Frage, ob die Kandarenpflicht im internationalen Dressursport eine sportliche Regelung oder eine tierschutzrelevante Angelegenheit ist. Klimke zeigt sich offen für Veränderungen, sofern wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass die Nutzung der Kandare das Wohlbefinden der Pferde beeinträchtigen könnte. „Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse nachweislich zu der Annahme führen, dass die Einwirkung mit der Kandare, im Vergleich zu anderen Gebissen, wie zum Beispiel der Trense, das Wohlbefinden unserer Pferde beeinträchtigt, sollte eine offene Debatte über die Notwendigkeit der Kandarenpflicht im internationalen Spitzensport geführt werden“, sagt die Reiterin.
Die FN hatte bereits angekündigt, die gezeigten Bilder und Videomaterialien sorgfältig zu prüfen und mit den Wissenschaftlern in den Dialog zu treten.
Hier lesen Sie das vollständige Statement von Ingrid Klimke:
Während der internationalen CDI-Turniere in Amsterdam und Neumünster wurden Momentaufnahmen von Teilnehmern angefertigt, die die aktuelle Debatte über das Wohlergehen der Pferde im Grand-Prix-Sport und speziell die Rolle der Kandare aufgreifen und anheizen.
In wissenschaftlichen Kreisen besteht die Besorgnis, dass die nach internationalem Reglement geforderte Kandarenzäumung zu einer potenziellen Beeinträchtigung des Pferdemaules führen kann. Gleichzeitig gibt es Bedenken, dass Praktiken, die dem Pferd schaden könnten, unbemerkt bleiben oder durch die aktuelle Bewertungspraxis im Dressursport sogar begünstigt werden.
Als Reiterin liebe ich unseren Sport und lebe die klassische Reitlehre, die ich von meinem Vater übernommen habe. Ich bin mir bewusst, dass unser Sport unter kritischer Beobachtung steht und unterstütze jede konstruktive Diskussion über das Wohlbefinden der Pferde.
Gleichzeitig ist mir wichtig zu betonen, dass die gezeigten Bilder Momentaufnahmen sind. Sie geben keinen konstanten Zustand wieder, sondern einen Sekundenbruchteil eines komplexen Bewegungsablaufs. Die Herausforderung für jeden Grand-Prix-Reiter besteht darin, die Grundsätze der klassischen Reitlehre jederzeit mit den aktuellen Anforderungen des Spitzensports in Einklang zu bringen – ein Balanceakt, der nicht in jedem Moment perfekt gelingen kann. Pferde sind keine Maschinen und Reiter sind nur Menschen. Natürlich ist es mein Ziel, meine Pferde in perfekter Anlehnung nach den Grundsätzen der klassischen Reitlehre zu präsentieren, mit dem Genick als höchstem Punkt und der Nase vor der Senkrechten, was mir nicht immer gelingt.
Die aktuelle Diskussion um die Kandarenpflicht im internationalen Dressursport muss sachlich geführt werden. Eine zentrale Frage lautet: Ist die Kandarenpflicht eine rein sportliche Angelegenheit oder betrifft sie das grundlegende Wohlbefinden des Pferdes?
Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse nachweislich zu der Annahme führen, dass die Einwirkung mit der Kandare, im Vergleich zu anderen Gebissen wie zum Beispiel der Trense, das Wohlbefinden unserer Pferde beeinträchtigt, sollte eine offene Debatte über die Notwendigkeit der Kandarenpflicht im internationalen Spitzensport geführt werden. Wir wissen alle, dass Momente, insbesondere in Prüfungssituationen, die ein deutlicheres Einwirken auf das Pferdemaul notwendig machen, sei es, um eine Lektion in letzter Perfektion zu zeigen oder einfach nur, um die Sicherheit von Pferd und Reiter zu gewährleisten, vermutlich nie gänzlich zu vermeiden sein werden.
Mein Ziel bleibt es, den Sport im Einklang mit dem Wohlbefinden der Pferde weiterzuentwickeln. Ich lade jeden ein, sich selbst ein Bild zu machen – durch offenen Austausch und transparente Trainingsmethoden, die zeigen, dass das Wohl des Pferdes immer an erster Stelle steht. Ich unterstütze den offenen, sachlichen und fairen Diskurs um wissenschaftliche Erkenntnisse, die unseren Sport verbessern und langfristig erhalten.