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Im Interview: Thomas Casper

„Jeder, der mit Pferden zu tun hat, muss sich jetzt seiner Verantwortung bewusst sein“

Thomas Casper ist ein Macher. Vor allem, wenn es um die Pferde und die Zukunft des Pferdesports geht, wird er nicht müde, eine seiner vielen Ideen umzusetzen. Was ihn antreibt – und sorgt. Ein Interview.

Stillstand ist nichts für Thomas Casper, er möchte, dass es vorangeht. Für das Pferd in der Gesellschaft. Ideen genug hat er.

Herr Casper, wenn Sie morgens über den Birkhof gehen, was geht Ihnen da durch Ihren Kopf?

Dass ich ein privilegiertes Leben führen darf – wohl mit viel Arbeit, Stress und auch Sorgen. Dennoch darf ich eine Atmosphäre erleben, die einzigartig ist: ich sehe die Pferde draußen, höre sie schnauben. Ich habe ein sehr engagiertes Team, eine Familie, die mitzieht. Und ich darf mit Lebewesen arbeiten, die faszinierend sind. Ich darf kreativ sein in dieser Branche und auch dazu beitragen, ein bisschen was zu bewegen.

Was treibt Sie an, etwas in dieser Branche bewegen zu wollen?

Ich glaube, das steckt etwas in meiner Person. Ich war Schulsprecher, ich war Sprecher der Landwirtschaftsstudenten bei der Bundeswehr und so weiter. Auf der anderen Seite sehe ich die Faszination im Pferd. Ich habe viel mit den Pferden erleben dürfen, auch sportlich. Damals durfte ich Deutsche Meisterschaften reiten und war baden-württembergischer Meister. Und ich sehe, wie toll Pferde auf Jugendliche und auf Kinder wirken. Ich sehe aber auch die Gefahr, dass wir davon etwas verlieren können. Ich habe drei Kinder und ich möchte, dass auch sie in 20 oder 30 Jahren Pferdezucht und den Sport noch leben können. Tatsächlich gibt genau das mir die Kraft, weiterzumachen.

Sie gelten als findiger Kopf, der Dinge neu denkt. Veranstaltungen auf Ihrem Gestüt Birkhof sind immer ein bisschen besonders.

Viele Sachen sind auch aus einer Notwendigkeit entstanden, weil man besonders sein wollte, besser sein wollte als andere. Wir gehörten zu den Ersten, die ein Fohlenchampionat durchgeführt haben, oder die einen After-Sales-Service mit Lehrgängen ins Leben gerufen haben. Wir haben ein Züchtersommernachtsfest veranstaltet, Fortbildungsreihen, Tierärztetagungen, ein großes Dressurturnier mit Beachvolleyball, Oper-Air-Kino und Gala-Abend für die Gemeinde ... Und dann ist da noch Ihre Jugendarbeit. Die ist ganz wichtig. Da sind Jugendturniere, bei dem jedes Kind eine Stahlplakette kriegt und ein T-Shirt mit „Jugendfestival Gestüt Birkhof“ bedruckt. Vor Kurzem hat eine junge Dame ein Pferd bei uns gekauft, sie sagte zu mir, „Herr Casper, Sie haben mir vor 15 Jahren das T-Shirt aufm Jugendturnier überreicht. Da war ich acht.“ Wenn ich Kindern diese T-Shirts überreichen darf, sind das für mich mit die schönsten Tage.

Dieses Interview ist erstmals in der Special-Ausgabe #doitride erschienen. Sie haben das Heft verpasst? Kein Problem, hier können Sie es ganz bequem zu sich nach Hause bestellen.

Sie bilden angehende Pferdewirte auf dem Birkhof aus – was geben Sie den jungen Leuten mit, die sich entschlossen haben, ihr berufliches Leben den Pferden zu widmen?

Vielleicht kann ich das an einem Beispiel am besten erklären: Wir haben bei uns eine kleine Reithalle, in der wir die Pferde longieren oder laufen lassen. Und da müssen unsere Lehrlinge oft auch mit den Pferden warten, weil die Halle gerade noch belegt ist. Und dann sage ich, es gibt jetzt drei Möglichkeiten: erstens, das Handy in der linken Hand, das Pferd in der rechten Hand und auf dem Handy irgendwelche neue Storys lesen – das ist ein absolutes „No Go“. Die zweite Möglichkeit ist, das Handy in der Hosentasche, das Pferd in der rechten Hand, in der Gegend herumgucken und warten, bis die Tür aufgeht. Dann sag ich immer, „ab zu Edeka an die Kasse“. Das sage ich wirklich. Und die dritte Möglichkeit ist: Ich drehe mich zu meinem Pferd, streichle ihm übers Gesicht, kraule ihm den Hals und sage, „Hallo mein Freund, wie geht es dir heute?“ Dann ist das der schönste Job der Welt. Und das versuche ich meinen Leuten zu vermitteln. Nämlich, dass sie diese Wärme, die das Pferd ausstrahlt, spüren und aufnehmen. Wenn sie dazu nicht bereit sind oder das nicht so empfinden, dann ist das der falsche Job für sie.

Wie blicken Sie auf die Zukunft des Pferdesports und seine Entwicklung?

Ich glaube, dass das Pferd immer ein Teil unserer Gesellschaft sein wird, weil es was Besonderes ist. Aus jedem Kinderwagen hört man entweder „brumm brumm“ und „Traktor“ oder „Hottehü“. Die Grundfaszination fürs Pferd ist in die Wiege gelegt. Nur ist das Reiten eine teure Angelegenheit und es wird noch teurer, sodass es sich nicht mehr viele leisten können. Und es muss sogar teurer werden, weil sonst die, die davon leben wollen, nicht mehr davon leben können. Das heißt, wir müssen die Betriebe so ausstatten, dass sie wirtschaftlich arbeiten können. Auf der anderen Seite muss jetzt wirklich jeder, der mit Pferden zu tun hat, sich der Verantwortung bewusst sein, unserer Gesellschaft etwas zurückzugeben und dazu beizutragen, den Stellenwert des Pferdes zu erhalten und auszubauen. Diese Skandalvideos, die wir gesehen haben, werden immer wieder kommen. Und ja, da müssen wir aufpassen, dass das besser wird, völlig klar. Aber wir müssen gleichzeitig die positive Seite, eben diese Faszination, viel mehr transportieren. Ich vermute, Sie hätten dazu eine Idee. Flapsig habe ich mal gesagt, ich würde keinem den Reitausweis Leistungsklasse drei und besser ausstellen, der nicht nachweist, dass er den Kindergarten seines Ortes einmal im Jahr für zwei Stunden, zwanzig Brezeln und zwei Liter Kakao einlädt. Es muss jetzt einfach jeder aufwachen. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem uns die Gesellschaft – auch aus Neidgründen – die Reiterei, und insbesondere die Sportreiterei, vielleicht erschweren wird. Weil wir zu wenig Lobby haben, weder in der Politik noch sonst irgendwo.

Ist das System zu träge?

Ja, natürlich. Das gilt auch beim Thema Reitschulen. Was würde denn BMW und VW tun, wenn‘s keine Fahrschule gäbe? Die bauen morgen früh Fahrschulen auf. Und zwar so, dass sie dabei auch noch was verdienen. Allerdings sind wir zu träge. Das Problem der zurückgehenden Anzahl der Reitschulen sehen wir schon lange. Natürlich gibt es in der FN, den Landesverbänden und darüber hinaus viele engagierte Leute mit Ideen. Flächendeckend aber fehlt die Schlagkraft.

Was schlagen Sie vor?

Wir haben zum Beispiel die Kindereskorte bei uns ins Leben gerufen: Da dürfen sich Kinder bewerben. Sie kriegen dann ein T-Shirt von uns und eine kleine Schleife, in die Siegerehrung gehen dann zum Beispiel nur noch drei Pferde und die anderen Reiter haben rechts und links ein Kind an der Hand. So wie beim Fußball. Ein anderes Beispiel: Wir arbeiten jedes Jahr mit einer anderen Stadt zusammen und laden für den Donnerstag die Kindergärten dieser Stadt zu uns ein, inklusive Bus-Shuttle, Pony putzen und reiten, einer Futterbar und vielem mehr. Dieses Jahr hatten wir mit der Stadt 400 Kinder vor Ort. Und das Schöne ist, die kommen dann auch nochmal wieder, mit ihren Eltern oder Großeltern. Und das sind auch die Bilder, die über die Zeitungen, die Pferdesportmagazine, über Social Media nach draußen gelangen. Es gibt viele Kleinigkeiten, die pragmatisch schnell umzusetzen sind, nicht viel kosten, aber viel bewirken können.

Thomas Casper, Jahrgang 1962, ist studierter Agrarwissenschaftler. Er betreibt im baden-württembergischen Donzdorf das Gestüt Birkhof, lebt dort mit seiner Frau Nicole und den gemeinsamen Töchtern Anna, Lisa und Pia. Der Pferdezüchter gehört unter anderem zu den Initiatoren des Vereins „Pferde für unsere Kinder“ und „Vielfalt Pferd“.