Dr. Dietrich Plewa: „Wir sind auf dem falschen Weg“
Löwenberger Land – Ein Freitagnachmittag in Brandenburg. Es ist März. Draußen regnet es. Dr. Dietrich Plewa steht auf dem Podium und spricht vor (Fach-) Publikum über die Dressur. Über das, was ist, was war und was vielleicht eines Tages sein wird. Es sind die Worte eines Mannes, der sein Leben den Pferden gewidmet hat. Seit mehr als 60 Jahren beschäftigt sich der Jurist Dr. Dietrich Plewa intensiv mit Pferden, ist Reiter und Richter. Seine Worte sind klar. Seine Sätze strukturiert. Seine Aussagen deutlich.
Auszüge aus dem Vortrag von Dr. Dietrich Plewa:
„Es ist eine Missachtung unseres Sportpartners Pferd, wenn Pferde durch Sporen oder Zügeleinwirkung verletzt werden. Unter Tierschutzgesichtspunkten ist das überhaupt nicht verzeihlich. Aber auch das Schweigen zu manchen Bildern ist nicht tolerabel. Seit Jahrzehnten wird weggeschaut, wenn der Begriff „Dressur“ eine Bedeutung erlangt, die vom Wort abgeleitet werden kann. Dressur bedeutet – rein vom Begriff her –, dass etwas dressiert wird. In der klassischen Dressurausbildung wollen wir das Gegenteil. Dass es nun andere Entwicklungen gibt, daran ist nicht der Begriff Dressur schuld. Schuld sind die Protagonisten.
Aus meiner Sicht ist es zudem sinnvoll, darüber nachzudenken, was für eine Signalwirkung es hatte, die Fußnote für die Reinheit der Gänge zu streichen. (Anm. d. Red.: Ende 2017) Der Takt ist in allen Grundgangarten das wichtigste Kriterium und diese Note wurde gestrichen, genau wie die Fußnoten für Gehorsam, Durchlässigkeit und Schwung. Die Rückentätigkeit des Pferdes, die Zufriedenheit des Pferdes, das Erfüllen der Skala der Ausbildung – all diese Kriterien sind vom Bewertungsbogen gestrichen worden. Das war und ist ein völlig falsches Signal, ein unverzeihlicher Sündenfall.
Wenn professionelle Reiter sagen, dass die Richter ihnen vorgeben, wie sie reiten sollen, ist das falsch. Dann müssten die Richter den Maßstab für gutes Reiten vorgeben, dem ist aber nicht so. Gutes Richten basiert auf der Klassischen Reitlehre. Das Ziel guten Richtens ist es, das Pferd zu belohnen, das selbstverständlich, spannungsfrei, losgelassen, elastisch, taktrein und möglichst fehlerfrei alle Lektionen absolviert. Das allein ist die Grundlage. Es geht darum, Harmonie zu belohnen, nicht das Spektakuläre. Wir müssen wieder in die Köpfe der Richter bekommen, was lange bekannt ist. Es ist nicht strittig, wie gutes Reiten aussieht. Wir wissen, was gut ist.
Der Begriff spektakulär ist dadurch gekennzeichnet, das etwas aufsehenerregend ist. Manche meinen, der Trab sei spektakulär, wenn das Vorstrecken und Anheben der Vorderbeine besonders ausgeprägt ist, manchmal sogar so sehr, dass die Korrespondenz zwischen Vorderhand und Hinterhand nicht mehr gegeben ist. Aber das ist falsch. Ein weiteres Beispiel: Schon im Arbeitstrab sollte das Hinterbein überfußen. In vielen gehobenen Prüfungen ist aber zu beobachten, dass die Pferde selbst im Starken Trab nicht überfußen und dennoch bewegen sich die Noten in einem Bereich von gut. Das ist nicht richtig. Wir sind auf dem falschen Weg. Diese Bewegungen sind andressiert und haben nichts mit natürlicher Bewegungsqualität zu tun. Doch genau auf diese sollten und müssen wir wieder unseren Blick lenken.”
Zustimmender Beifall. Der Applaus dauert an. Nachfragen werden gestellt, der fachliche Diskurs gesucht. Es geht um das Pferdewohl, die Gesundheit der Pferde und die Frage, warum die Harmonie von Pferd und Mensch noch immer nicht im Fokus steht. Dr. Dietrich Plewa hat den Abschlussvortrag beim zehnten Liebenberger Pferdeforum gehalten. Seine Worte klingen nach.
Im Interview: Kerstin Gerhardt
„Das größte Chaos sehe ich bei der Ausbildung der Jungpferde“
Kerstin Gerhardt ist Bereiterin FN, ehemalige Berufsschullehrerin für Pferdewirte und Dressurausbilderin bis Grand Prix. In den 90er Jahren zeigte sie Paul Schockemöhle wegen Barrens an, äußerte sich öffentlich dazu im TV – so wie auch in der RTL-Dokumentation über Totilas und zuletzt beim NDR über den Fall Cesar Parra.
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