Leseprobe: Annes kleine Arche-Noah
Zu Besuch bei Tiertrainerin Anne Krüger-Degener
„Am Ende frage ich alle Namen ab.“ Anne Krüger-Degener lacht herzlich auf, die blauen Augen blitzen. Was für ein schlechter Scherz, wenn man gerade umzingelt ist von Hunden. Erst einer, dann zwei, dann fünf, nein sieben … Alle laufen kreuz und quer. Die Frage „na, wer bist du denn?“ – an wen noch mal? Miss Sophie hüpft zu Professor Higgins, James Bond setzt sich nochmal aufrecht hin und Apple ist maximal „online“ – vier in einem Körbchen. Für zwei Sekunden. Dann sind Labrador, Border Collie und die beiden Border Terrier schon wieder on Tour. Und noch mehr Border Collies kommen in die Tenne, gefolgt von dem großen, betagten Pombär, einem zehn Jahre alten Fila Brasileiro und „schon ein wenig dement“.
Anne Krüger krault Berti das Fell an der Po-Backe – die Rede ist jetzt von einem Pferd mit offiziellem Namen Best Of, ein fünfjähriger grauer Belantis-Sohn. Tochter Carla bandagiert die Beine ihres Ponyhengstes Luni und Ehemann Jan Degener betritt mit Schimmel Socio den Stall. Ohne Halfter, ohne Strick. „Babylein!“ säuselt Anne Krüger-Degener, die sonst knackig, sachlich, energisch daherkommt. Sie streichelt Socio über den Kopf. „Unser erstes richtig tolles Showpferd. Der ist mit uns bestimmt schon dreimal um die ganze Welt gereist. Socio ist portugiesisch und bedeutet Freund und Partner. Ich wüsste keinen, zu dem der Name besser passen könnte.“ 20 Jahre alt ist der Schimmel, seit 17 Jahren hier auf dem Degenerhof zu Hause. Er ist Lebensgefährte für die Degeners und „der beste Ziehvater, den man sich vorstellen kann. Alle Pferde, die hier als Fohlen ankommen, kommen zu ihm in die Box und auf die Weide. Er kümmert sich rührend um sie. Nach eineinhalb Tagen sind sie glücklich und zufrieden.“
So schön ist Panama
Pferde, Hunde, Katzen, Ziegen, hunderte Schafe, Hühner, Enten … „unsere kleine Arche Noah“, sagt Anne Krüger-Degener. Ein Familienunternehmen. Ihr Leben. Die Tiertrainerin ist berühmt geworden mit ihren Shows, in denen sie Pferde, Hunde, Ziegen und Enten am scheinbar unsichtbaren Faden nach ihrer Pfeife tanzen lässt und die Zuschauer zum Staunen bringt. Es ist nicht ihre Show allein. Die ganze Familie ist dabei. Carla, mittlerweile 16 Jahre alt, ist seit vielen Jahren an ihrer Seite. Jan Degener hat seinen fahrenden Part mit Land Rover oder Ente und ist noch lieber der Mann, der im Hintergrund vieles regelt – in der Show wie im Betrieb, dem Degenerhof, abseits des niedersächsischen Städtchens Melle gelegen.
Jan Degener führt uns über den Hof, der Familiengeschichten aus über 150 Jahren erzählen könnte. Er ist hier aufgewachsen und war eigentlich schon auf dem Sprung, die Welt zu erkunden. Er kam wieder. Der Liebe wegen. Seitdem will er nicht mehr weg. „Es ist ein bisschen wie bei Janosch. Und hier ist Panama“, sagt er. Dazu später mehr.
Die Kieselsteine knirschen unter unseren Füßen als wir in Richtung Reithalle gehen. Die Degeners haben es sich hier drin wohnlich gemacht, entlang der langen Hallenseite hängen Bilder in Holzrahmen: Erinnerungen an besondere Auftritte. Sie waren auf zig Messen und Turnieren rund um den Globus, sind im Oman beim Kamelfestival aufgetreten, auf der Equitana in Essen, in Dänemark bei der Königin. „Dieses Bild in der Mitte, das war wirklich ein ‚magic moment‘“, sagt Jan Degener und zeigt auf ein Foto mit zwei Schimmeln, die nebeneinander im Gleichschritt piaffieren, der eine im Groß-, der andere im Kleinformat – mit seiner Frau und seiner damals 10 Jahre alten Tochter. Aachen 2014. Unvergesslich.
40 Hektar Land bewirtschaften die Degeners, direkt am Hof sind es sechs. Die Schafe auf der Koppel heben neugierig die Köpfe und beobachten uns auf dem Weg hinunter zu den Teichen, wo ein paar Gänse gerade ins Wasser gleiten. „Labradors Paradise“ nennt es Jan Degener – die schwarzen und weißen Indischen Laufenten sehen das sicherlich ein bisschen anders. Ihr Revier. „Die haben gerade Trainingspause“, erklärt uns Anne Krüger-Degener, „also, wenn wir die auf’m Foto haben wollen, dauert’s ein bisschen länger.“ Anne Krüger-Degener ist niemand, der um den heißen Brei herumredet. Klare Ansagen, aber freundlich. So wie sie mit den Tieren arbeitet. Respektvoll. Das verstehen die Tiere am besten und ist das einzige Geheimnis hinter den magischen Momenten zwischen ihr und ihren Tieren in den Shows und im Training. Ja, sie kann mit Tieren – und konnte noch niemals ohne sie.