Clara Blau und Paul – von Vertrauen und Verständnis
Hamburg – Vor dem Start in der zweiten Qualifikation zum Hamburger Derby lässt Springreiterin Clara Blau ihren Paul kurz vom Derby-Rasen fressen. Zügel aufnehmen, Fokus setzen, Spaß haben und vorne in die Platzierung hüpfen. Das beschreibt die Runde von Clara Blau ganz gut. Sie hat in Osnabrück Landwirtschaft studiert, macht nun eine kaufmännische Ausbildung und hält auf dem Familienhof gut 20 Pferde. Darunter viele Jungpferde. Ihr ist die gute Aufzucht ihrer Pferde immens wichtig und sie ist überzeugt, dass Pferde vor allem Zeit und viel Bewegung brauchen. Am liebsten sieht sie ihre Tiere den ganzen Tag auf der Weide, dann grasen sie unter den Bäumen, die ihre Oma einst gepflanzt hat.
Am Rande des Hamburger Derbys hat Reiter Revue Clara Blau zum Interview getroffen. Ein Gespräch über Mädchenträume, Charakterpferde und Parcoursreiten ohne den Parcours vorher abzugehen. Das macht Clara nämlich nicht. Auch nicht beim Derby. Clara macht ihr Ding.
Wie ist es für dich beim Hamburger Derby zu reiten?
„Für mich ist das etwas besonders. Ich war sonst immer das kleine Mädchen, das vor dem Fernseher saß. Ich habe das Derby als Kind immer geschaut. Als ich vor drei Jahren das erste Mal mitgeritten bin, war es sehr surreal. Es ist toll hier zu reiten.”
Was macht Hamburg so besonders?
„Die Atmosphäre, die Zuschauer, die Stimmung, das Ganze ist unglaublich toll. Bei mir ist es der Platz. Ich fühle mich auf diesem Platz so unglaublich wohl. Ich reite hier so gerne. Man kommt rein und hat so viel Platz zum Galoppieren. Das ist toll. Auf der anderen Seite ist es auch schwierig, besonders für die Nachwuchspferde. Es ist eine gewaltige Umstellung. Mein Derby-Pferd Paul ist seit Neumünster kein Turnier mehr gegangen. Er war zuletzt also auf einem Hallenturnier. Nun sind wir wieder draußen. Es ist herrlich.”
Der Derby-Parcours ist lang. Wie viel Ausdauertraining machst du vorher?
„Ich trainiere allein. Es war schon immer so, dass ich viel aus dem Bauchgefühl mache. Mit Paul mache ich Galopptraining, aber ich gehe so oder so sehr gern ausreiten. Ich wohne sehr ländlich und wir haben zwei, drei kleine Hänge, an denen ich gut galoppieren kann. Ich gehe sehr gerne mit meiner Schwester oder einem Freund ausreiten.”
Wie wichtig ist dir Abwechslung im Training?
„Es ist gut für den Kopf. Ich habe sehr viele junge Pferde und viele Pferde, die aus dem Raster fallen und als schwierig gelten. Da kommt es besonders auf das zum Pferd passende Training an. Mich faszinieren diese Pferde und wie man eine Verbindung aufbauen kann. Auf der anderen Seite habe ich auch nicht das Geld, um mir teure Pferde zu kaufen.”
Wie war es bei Paul?
„Paul war fünf Jahre alt, als er zu mir kam. Bis dahin kannte er nichts und ist in Ungarn aufgewachsen. Mit ihm habe ich mir einen Wunsch erfüllt. Durch meine Mutter bin ich zu den Pferde gekommen. Wir sind viel ausreiten gegangen und ich hatte einen Haflinger, bin Turnier geritten und hatte irgendwann den Wunsch, selbst ein Pferd auszubilden. Mir fehlte aber das Geld, um ein gutes Nachwuchspferd zu kaufen. Ich habe Bilder von Paul gesehen. Es waren zwei, drei Fotos und ich mochte ihn. Er war groß genug und ich konnte ihn im Alter von 14 Jahren selbst bezahlen. So kam er zu mir. Er war damals echt wild. Er hat alles versucht, um aus der Box zu kommen und ist über jeden Zaun gesprungen. Er hat sich dann aber doch schnell eingelebt und ist nun anhänglich wie kein Zweiter.”
Ihr seid seit acht Jahren ein Team. Was braucht er, um sich wohlzufühlen?
„Die Zuneigung des Menschen. Ihm ist es egal, wo es hingeht. Solange jemand an seiner Seite ist und ihn in den Arm nimmt, ist alles in Ordnung. Er ist gerne der Chef. Er weiß genau, was er darf und das ist sehr viel. Er hat besondere Rechte, läuft bei meiner Oma durch den Garten und holt sich die Äpfel von den Bäumen. Er darf stets kurz fressen, wenn er möchte.”
Du hast ihn auch vor dem Start fressen lassen.
„Er kratzt sich sehr gerne am Kopf. Vor dem Start in der zweiten Qualifikation hat er die Chance genutzt, um ein paar Halme zu fressen. Ein typischer Paul-Move.”
Wie wichtig ist es, das Pferd so zu lassen wie es ist?
„Die Pferde sind so deutlich zufriedener und das führt dazu, dass sie für und mit dem Reiter kämpfen. Zum Beispiel Paul: Es ist egal, wo wir starten. Er ist auf dem Turnier ein anderes Pferd. Er ist ruhig, zufrieden, liegt in der Box und schnarcht. Er lässt sich am langen Zügel entspannt reiten. Zu Hause lässt er sich normal reiten. Das war schon immer so. Wir reiten eigentlich nur aus, mal ein paar Gymnastiksprünge und das ist das einfachste, um ihn bei Laune zu halten. Ich brauche ihn nicht auf dem Platz reiten. Das langweilt ihn. Dieses Wissen nehme ich auch mit auf meine anderen Pferde. Ich reite sie alle nie lange, ich reite meine Pferde auch nicht jeden Tag. Manchmal stehen sie auch nur auf der Weide oder gehen in die Führanlage. Sie sammeln ihre Erfahrung auf dem Turnier.”
Wann war dir klar, dass Paul so viel Talent hat?
„Eigentlich war es nie mein Ziel, so schwere Springen zu reiten Ich wollte ein wenig reiten, mal ein M- oder S-Springen. Paul ist mein erstes Pferd mit so viel Talent. Wir haben einfach immer ein wenig mehr gemacht und er bietet es mir an.”
Kann man nur mit einem zufriedenen Pferd erfolgreich sein?
„In den kleineren Prüfungen ist es nicht immer möglich, die Pferde so zufrieden auf den Punkt zu haben. Bei solchen Prüfungen wie hier macht es einen riesigen Unterschied, ob das Pferd für dich kämpft oder ob es ihm gleich ist, was der Reiter möchte. Paul zerreißt sich für mich.”
Wie fühlt sich das an?
„Total schön. Auf dem Wall kann ich die Zügel lang lassen und mir sicher sein, dass Paul es für mich macht. Er würde alles für mich tun. In den ganzen Jahren habe ich mich sehr viel mit ihm beschäftigt und nun gibt er mir sehr viel zurück. Dafür bin ich sehr dankbar und es zeigt mir, dass ich nicht auf dem falschen Weg bin.”