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Daniel Deußer im Interview: „Wir haben Glück“
Meise/BEL – Daniel Deußer kommt aus Hessen, lebt und arbeitet aber seit einigen Jahren in Belgien. Sein Arbeitgeber ist Stephan Conter, Betreiber der Stephex Stables. Dort managt Deußer einen eigenen Stalltrakt und hat aktuell mit Killer Queen und Scuderia Tobago Z zwei Spitzenpferde unter dem Sattel. Von Turnieren kann er aber nur träumen – oder auch nicht ...
Es ist Freitagmorgen und Sie trainieren im heimischen Stall. Ungewohnt?
Da habe ich mich ganz schnell dran gewöhnt (lacht). Es sind nun acht Wochen, die wir nicht zum Turnier fahren durften. Ich freue mich zwar darauf, wenn es wieder losgeht. Aber wirklich vermisst habe ich die Turniere bisher nicht. Ein normales Wochenende mit mehr Zeit für die Familie und zwei Tagen daheim, da habe ich mich ganz, ganz schnell dran gewöhnt.
Sie leben gemeinsam mit ihrer Partnerin Caroline Wauters und ihrer Tochter Stella in Belgien. Wie viele Tage sind sie normalerweise pro Jahr unterwegs?
Gezählt habe ich sie nie, aber wenn Turnier ist, bin ich von donnerstags bis sonntags weg. Wenn dann am nächsten Wochenende Turnier ist, bin ich montags wieder im Stall. Das macht eine Sieben- Tage-Woche, in der ich nur von montags bis mittwochs morgens und abends wenige Stunden mit meiner Familie verbringen kann. Acht Wochen zu Hause zu sein, ist für mich schon sehr, sehr viel.
Also genießt es Ihre Tochter auch sehr, dass Sie nun mehr Zeit haben?
Absolut, wobei es für Stella auch komisch ist, dass sie ihre Freunde nicht in der Vorschule sehen kann. Umso mehr hängt sie aktuell an ihrem Papa.
Inwieweit steht denn Ihr Alltag Kopf?
Gar nicht so sehr, ich darf nach wie vor zum Stall fahren. Ich mache meinen Job normal weiter. Wenn ich mich mit anderen vergleiche, kann ich mich absolut nicht beschweren. Ich darf weiter mit Pferden arbeiten, unser Gelände ist sehr groß, es sind wenige Menschen vor Ort und wir alle haben aktuell weniger Stress.
Wie sieht Ihr Training aus, so ohne Turniere?
Wir trainieren weiterhin, fast normal sogar. Dies gilt vor allem für die jüngeren, also für die sieben- bis achtjährigen Pferde, damit sie stärker werden, weiter reifen. Meine Pferde werden alle weiter geritten, manche etwas weniger, andere vermehrt auf der Rennbahn oder im Wald. Wie immer kommen alle mehrmals am Tag raus. Meine Top-Turnierpferde wie Tobago und Killer Queen werden aktuell aber nicht jede Woche gesprungen, sondern vermehrt gymnastiziert. Sie brauchen am Wochenende keine Spitzenleistungen zeigen, also lassen wir es etwas ruhiger angehen.
Vor der Corona-Krise lief es für Sie sehr, sehr gut. Vor allem Killer Queen überzeugte. Wäre sie Ihre Olympiakandidatin gewesen?
Die entscheidende Freilandsaison wäre nun erst gestartet. Die Erfolge von Killer Queen in den vergangenen paar Monaten sprechen aber Bände. Sie hat unglaubliche Möglichkeiten, ist zwar jünger als Tobago, aber ihr Potenzial ist gewaltig. Sie hat Tobago, der einige Monate verletzt war, wunderbar ersetzt. Für 2021 kann ich natürlich nicht sagen, wer mein Favorit sein wird. Doch ihre Entwicklung ist gewaltig.
Sie werden im kommenden Jahr 40. Was ist denn die wichtigste Erfahrung, die sie bislang aus Ihren Dreißigern mitgenommen haben?
Darüber habe ich noch nie nachgedacht (lacht). Ich habe jahrelang mit unterschiedlichen Menschen trainiert. In meinen Zwanzigern hat Franke Sloothaak mich sehr geprägt. Sachen, die er mir damals erklärt hat, kommen mir immer wieder in den Sinn. Er hat mir beigebracht, wie man diese faszinierende Leichtigkeit mit Pferden trainiert, hat immer wieder betont, dass man Ruhe haben muss. Damals bin ich aber so ehrgeizig gewesen, dass es nur darum ging, schnell weiterzukommen. Wenn ich nun ein Pferd habe, das nicht gleich Ergebnisse liefert, arbeite ich kontinuierlich in meinem System weiter. Manche, wie die zehnjährige Stute Kiana van het Herdershof, wachsen in ihre Aufgaben herein und brillieren nun in Springen, die ich nie für möglich gehalten hätte. Geduld, Gelassenheit und Ruhe zahlen sich in der Pferdeausbildung aus. Damit hatte Franke auch vor 20 Jahren Recht, aber damals konnte ich es nicht so annehmen.