Im Interview: Bundestrainer Otto Becker
Wie schwierig ist es mittlerweile, die guten Pferde im Land zu halten?
Das wird immer schwieriger, ist aber auch kein neues Problem und auch kein Problem, das es nur in Deutschland gibt. Aber trotzdem haben wir es massiv, weil wir natürlich eine große und gute Pferdezucht haben. Top-Pferde sind natürlich sehr gesucht und begehrt. In diesem Jahr hatten wir eine sehr erfolgreiche Saison, weil wir Top Reiter mit Top Pferden hatten. Wenn wir jetzt auf die Paris Mannschaft schauen: Philipp Weishaupt und Christian Kukuk haben im richtigen Moment aufgepasst, Sponsoren gefunden, die investiert haben, die Pferde gekauft haben, die Pferde behalten haben. Richard Vogel hatte mit United Touch S und Jana Wargers mit Dorette, Pferde die nicht verkauft wurden.
Im Olympiakader haben wir neben unseren deutschen Pferdebesitzern, mittlerweile auch viele ausländische Besitzer und sind sehr froh, dass die die Pferde in der Regel auch behalten. Unsere Pferdebesitzer sind mit Ihrer Passion für den Sport unbezahlbar.
Macht dir die Abhängigkeit trotzdem Sorgen?
Sorgen nicht, aber man macht sich viele Gedanken. Es ist jedes Jahr ein kleiner Neubeginn. Wir versuchen stets neue Paare zu finden, sie auf den Weg zu bringen, so dass sie sich beweisen können, damit wir sie in der Zukunft auf Top-Niveau einsetzen können. Es ist ein fortlaufender Prozess und da braucht man bei aller sorgfältigen Planung als Bundestrainer auch manchmal Glück, dass im richtigen Moment die richtigen Reiter, die passenden Pferde haben, die auch wirklich auf ihrem Höhepunkt fit und gesund sind. Da gehören so viele Sachen dazu. Ja doch, etwas besorgt bin ich auch!
Mit welchem Gefühl schaust du auf das kommende Jahr und die Aufgaben, die da kommen? In diesem Jahr ist immerhin sehr viel sehr gut geglückt.
Grundsätzlich schaue ich sehr positiv nach vorne. Wir haben eine sehr gute Nationenpreissaison hinter uns mit Fünf-Sterne-Siegen, wir haben das Nationpreis-Finale in Barcelona gewonnen, die Einzel-Goldmedaille in Paris feiern dürfen. Und sind im Team unglücklich Fünfter geworden. Wir haben auf die Reiter bezogen eine gute Basis. Eine neue, jüngere Generation hat diese Saison mit geprägt. Die Zusammenarbeit macht an dieser Stelle sehr viel Spaß. Auch haben wir einige neue Paare gesehen. Und wir haben noch eine ältere, sehr erfahrene Generation, die die letzten Jahre immer wieder dabei waren. Wenn sie das passende Pferd haben, sind die auch sofort wieder dabei. Die Mischung stimmt. Wir werden bei den vielfältigen Aufgaben alle brauchen.
Wie arbeitet ihr daran, die Pferde in Deutschland zu halten?
Wir sprechen Sponsoren und Pferdebesitzer an, versuchen Perspektiven aufzuzeigen oder Reiter und Pferde zusammen zubringen. Ebenfalls ermutigen wir die Reiter, Sponsoren anzusprechen. Es lohnt sich umso mehr, wenn wir auf die Highlights in den kommenden Jahren schaut: die Weltmeisterschaft in Aachen 2026 und die Olympischen Spiele in Los Angeles 2028.
Und die Europameisterschaften?
Sind ebenso immens wichtig und der Höhepunkt im nächsten Jahr. Wenn die Qualität stimmt, kann man bei den Europameisterschaften eher mal ein jüngeres, oder noch nicht so erfahreneres Paar mitnehmen und aufbauen. Wir versuchen immer auf internationalen Turnieren und in Nationenpreisen jüngeren oder neuen Reitern Chancen zu geben. Aber beim Championat sollen die Besten starten.
Nicht unbedeutend ist sicherlich auch, dass beispielsweise bei den Europameisterschaften im kommenden Jahr in Spanien vier Reiter pro Equipe starten dürfen, oder?
Absolut, unser traditioneller Modus mit Streichergebnis. In diesem Jahr haben wir Entscheidungen treffen müssen, die auch dem krassen Modus in Paris ohne Streichergebnis geschuldet waren, den ich nach wie vor nicht gut finde. Besser ist der Modus bei der neuen League of Nations. Beide Umläufe zählen, erst vier und dann drei Reiter , das finde ich gut. In der Wertung geht es schnell rauf und runter, aber es ist spannend bis zum Schluss.
Worauf kommt es noch an, um erfolgreich zu sein?
Heutzutage reicht es nicht mehr aus, nur einen Sprung gut anzureiten. Da gehört heute mehr dazu, das gesamte Management muss stimmen. Die richtigen Pferde erkennen, Sponsoren suchen und sich ein professionelles Umfeld schaffen. Sich immer an den Besten orientieren und bei Rückschlägen nicht gleich aufgeben. Man muss Chancen erkennen und nutzen.