Weltcup-Finale: Dorothee Schneider im Interview vor ihrem ersten Start
Sind Sie zum ersten Mal in Paris?
Ich war bisher einmal in Paris, damals aber privat und das ist leider auch schon zehn Jahre her.
Wollen Sie sich außerhalb des Turniergeländes nun Paris noch etwas anschauen?
Ich habe einen Freund, der sich hier in Paris sehr gut auskennt. Er hat mir Informationen gegeben, was ich mir am besten anschauen kann. Aber mal schauen, was ich davon schaffe, eigentlich bleibt dafür nur noch am Samstagvormittag Zeit. Abwarten, ob ich mich vor der Prüfung danach fühle, noch in die Stadt zu gehen. Ehrlich gesagt, wäre es aber zu schade, es nicht zu tun, wenn man schon einmal hier ist.
Schauen Sie sich sonst auch zwischen den Prüfungen den Ort an?
Absolut. Lyon ist zum Beispiel eine wunderschöne Stadt und auch in Rio de Janeiro bei den Olympischen Spielen haben wir uns bemüht, etwas von der Stadt anzuschauen. Das war etwas schwierig, weil wir Dressurreiter da nicht ganz so fix waren wie die Vielseitigkeitsreiter. Am Ende hat es aber doch geklappt. Es ist meines Erachtens wichtig, die Zeit zu nutzen, um auch kulturell das Auge ein wenig zu weiten.
Fühlt sich das Weltcup-Finale für Sie denn anders als andere Turniere an?
Ich finde es ist wie ein Championat. So habe ich mich und Sammy auch vorbereitet. Es ist mein erstes Weltcup-Finale und eine gewisse positive Anspannung ist natürlich dabei. Das muss aber auch so sein. Ich sehe das sehr positiv. Mein Pferd ist fit und motiviert. Wir sind gut vorbereitet und so können wir mental gelassen an den Start gehen. Ganz ohne Gänsehaut geht es jedoch nicht. Schließlich geht es um was und wir wollen unser Bestes auf den Punkt geben. Doch bei aller Konzentration will ich das Finale genießen und versuchen unseren tollen Sport zu zelebrieren.
Haben Sie Sammy in den vergangenen Wochen besonders vorbereitet?
Ich glaube es ist nicht gut, das Training umzustellen. Es gibt einen gewissen Ablauf, einen konditionellen Stand und auch eine Zufriedenheit beim Pferd mit dem bestehenden Training. Ich kenne Sammy schon eine Weile und war schon oft mit ihm unterwegs. Daher weiß ich, wie er reagiert und habe über den Winter versucht, ihn weiter zu kräftigen. Seine Stabilität im Hinterbein habe ich weiter gefördert.
Haben Sie das Gefühl, dass Sammy sich in der Halle wohl fühlt?
Das Pferd hat bewiesen, dass er mit Hallen keine Probleme hat, obschon er vom Charakter her ein witziges Pferd ist. Das heißt, er macht mal ein Böckchen oder lässt sich etwas anderes einfallen. Aber das gefällt mir an ihm. Ich mag es, wenn die Pferde Geist haben und motiviert sind, sich zu bewegen. Ich hoffe, dass er gut mit der Arena klar kommt. Und selbst wenn er mal nach links oder rechts schaut, stört mich das nicht. Denn er bleibt auf der Linie und ein Pferd soll leben. Es ist doch das Schönste, wenn man sehen kann, dass die Pferde im Viereck Spaß haben. Wenn eine gewisse Leichtigkeit rüber kommt, ist das doch das Ideal.
Wie beschreiben Sie seinen Charakter?
Er ist sehr aufmerksam und ein wunderschönes Pferd, was er auch weiß. Man könnte sagen, dass er ein wenig arrogant ist – im positiven Sinne. Außerdem ist er sehr filigran, hochbeinig und hat ein paar liebenswerte Flausen im Kopf. Er ist einfach sehr lebendig.
Liegt Ihnen dieser Pferdetyp?
Er liegt mir sehr, aber in meinem Beruf als Pferdeausbilder sollte ich flexibel sein. Ich habe sehr verschiedene Charaktere im Stall und da ist es wichtig, dass ich mich auf diese einstelle. Der Pferdecharakter darf sich nicht auf mich einstellen müssen. Deswegen macht mir die Pferdeausbildung auch so viel Spaß. Ich versuche immer den Charakter zu erfassen und diesen dann positiv zu unterstützen. Das macht bei Sammy viel Spaß, da er einem auch viel zurückgibt.
Was erhoffen Sie sich von dem Wochenende?
Auf der einen Seite möchte ich das Finale einfach genießen. Und diese Freude möchte ich mit ins Viereck nehmen, nach Möglichkeit eine fehlerfreie Runde zeigen, auch wenn es erst morgen in der Kür drauf ankommt. Insgesamt wäre ich super happy, wenn ich unter den ersten fünf landen würde. Dann würde ich eine Party feiern!
Die Konkurrenz ist groß.
Ja, es ist toll besetzt und Sammy ist eigentlich auch noch ein Küken, das 2017 in Lichtgeschwindigkeit zur Europameisterschaft gefahren ist. Jetzt ist noch einmal viel stabiler geworden. Das Wichtigste ist: Wir sind hier und Sammy hat viel Charme im Viereck.
Hat Sammy Sie mit seiner Entwicklung überrascht im vergangenen Jahr?
Ja, im Winter hat er noch den Louisdor-Preis gewonnen und dann ging es über vier oder fünf Qualifikationen zur EM. Das war Wahnsinn. Da war er im Vergleich zu den anderen noch ein Grand Prix-Baby. Nun ist er noch einmal gereift, weiß seinen Körper in den schweren, kraftraubenden Übungen einzusetzen und er bekommt mehr und mehr Leichtigkeit. Das ist für mich als Ausbilderin eine echte Freude.
Für Sie ist das die Bestätigung auf dem richtigen Weg zu sein.
Ja! Man bekommt eine Symbiose mit dem Pferd. Er weiß, was ich möchte, setzt dies um, kommt immer mehr zum Tragen ohne seine positive Grundeinstellung und seine Freude am Sport zu verlieren. Es ist ein tolles Gefühl, zu merken, was das Pferd für einen Spaß hat. In dem Sinne: Auf nach Paris!
Ist Sammy Davis jr. denn auch für die Weltreiterspiele die erste Wahl?
Nein, davon kann man noch nicht sprechen. Ich gehe mit Showtime und Sammy in die Qualifikation für Tryon. Auch Showtime hat seine Klasse schon außergewöhnlich eindrucksvoll bewiesen. Das ist eine luxuriöse Situation, die Möglichkeit zu haben, mit zwei Pferden die Qualifikationen zu reiten.
Wo sehen Sie die Unterschiede zwischen den beiden?
Sie sind völlig verschieden. Sammy ist wunderschön, elegant und eine Rampensau. Showtime ist hingegen eher der Athlet, der anfangs noch ein wenig schüchtern war. Aber nun auch ein Prinz im Viereck ist, mit einem einwandfreien und lieben Charakter und sehr vielen Höhepunkten in den versammelnden Lektionen. Sie sind beide unterschiedlich und zugleich beide für den Grand Prix-Sport prädestiniert.
Sie haben schon von der Rampensau gesprochen. Ist Sammy wirklich so ein Kür-Rocker wie es immer den Anschein macht?
Er ist in der Kür immer sehr motiviert, will tanzen. Daher passt die Tango-Musik aus dem Film „Darf ich bitten?“ auch so toll zu ihm. Er ist ein Tänzer und weiß, wann es gilt.
Haben Sie vor dem Start besondere Rituale?
Sammy wird heute Mittag noch einmal die Sonne genießen, um Abwechslung zu haben. Ich nähe ihn dann ein, so dass er danach noch eine halbe Stunde in die Box kann, um zu chillen. Ich persönlich ziehe mich dann um, schaue mir dann einen Grand Prix an, den ich mit ihm geritten bin. So bekomme ich ein noch besseres Gefühl für die Aufgabe, ehe es ganz in Ruhe zum Abreiten geht. Nach zehn Minuten Schritt reite ich ihn dann so 25 Minuten ehe es los geht. Dann ist er warm, aber nicht zu müde. Ganz wichtig dabei ist es, das Pferd viel zu loben. Das mache ich immer, wenn sie eine Sache besonders gut machen. Dann sind sie stolz auf sich selbst, wollen es noch einmal besser machen.
Wer ist immer dabei?
Mein Mann, der sich über die vergangenen Jahre ein gutes Auge angeeignet hat. Er reitet selbst nicht und ist stets sehr aufgeregt. Wenn ich dann einreite, schaut er nicht zu, sondern nur auf das Zwischenergebnis. Er sagt, dass er in so wichtigen Prüfungen immer um Jahre altert.
Sie haben neben Showtime und Sammy Davis noch weitere vielversprechende Pferde im Stall. Auf welche setzen Sie besonders viel Hoffnung?
Das ist sicherlich Fohlenhofs Rock’n Rose, die sich aus einer extremen Nervigkeit sehr gut stabilisiert hat. Darüber freue ich mich riesig, weil das Pferd sich immer selbst im Weg stand. Und nun hat sie die Ruhe gefunden und kann einfach schöne Runden zeigen. Und wer nun in den Startlöchern steht, ist Faustus, der im vergangenen Jahr zweiter im Louisdor-Preis geworden ist und nun seine ersten internationalen Grand Prix-Prüfungen sehr gut absolviert hat. Er wird ein tolles Grand Prix-Pferd.
Ein anderes Pferd, das Sie nun nicht mehr reiten, ist Sezuan. Wie schwer ist Ihnen diese Entscheidung gefallen?
Ich bin Sezuan lange geritten und zweimal die Woche zum Gestüt Peterhof gefahren. Das war anstrengend, dennoch ist mir die Entscheidung sehr schwer gefallen, denn mit Sezuan hatte ich vier tolle Jahre. Ich wäre ihn gerne weiter geritten, aber ich habe meinen eigenen Betrieb und der steht an erster Stelle. Punkt. Ich wollte mich nicht verzetteln und da musste ich mir überlegen, was das Wichtigste für mich ist und das ist mein Betrieb. Wir sind im Guten auseinander gegangen und ich blicke gerne auf die Zeit zurück. Sezuan und ich haben uns sehr gut verstanden. Er hat sich mit mir wohl gefühlt und da ist es schwierig zu sagen, ich lasse das jetzt.
Auch weil sie eine Vollblut-Ausbilderin sind.
Ja, genau. Ich mache mir viele Gedanken über das, was ich mit den Pferden mache und wie ich sie bestmöglich fördern kann und das dann nach mehreren Jahren wieder aus der Hand zu geben, fällt nicht leicht.
Die Ausbildung ist Ihre Passion. Warum?
Ich war nie in der Position, fertig ausgebildete Pferde zu bekommen. Ausbildung war immer der erste Weg. Ich hatte immer junge Pferde, mit denen ich irgendwann bestimmte Ziele erreicht habe. Und das gibt mir sehr viel, da ich mich mit dem Charakter auseinandersetze. Jedes Pferd ist anders, sich darauf einzustellen und sich selbst zu hinterfragen, das macht mir Spaß. Zu merken, dass die Pferde sich entwickeln, Freude dabei haben und einem eine gute Rückmeldung geben. Das macht einfach Spaß. Die Geschichte von Showtime ist zum Beispiel extrem toll. Ihn habe ich dreijährig bekommen und dann waren wir gemeinsam in Rio – das ist das Größte.