Leseprobe
Flöhchen fliegt – Jana Wargers im Portrait
Ruhe. Sie ist das erste, was einem nach wenigen Minuten auf der Ashford Farm in den Sinn kommt. Wir sind in Belgien, in der Gemeinde Bocholt. Ein dunkel gestrichenes, massives Holztor hat uns gemächlich den Blick auf die Reitanlage freigegeben. Es herrscht entspanntes Treiben, wohin das Auge reicht. Die wuselnden kleinen Hunde machen das Wimmelbild so lebendig wie emsige Bienen auf einer blühenden Wiese. Alles geht seinen Gang, das rhythmische Hämmern des Hufschmieds ist aus einem der Stallgebäude zu hören, auf dem Springplatz sind drei Pferde im Training, auf einem sitzt eine hochgewachsene schlanke Reiterin, ihre hellblonden Haare hüpfen im Rhythmus des Galopps unter dem Reithelm mit. Es ist Jana Wargers, 30 Jahre alt, Shootingstar, WM-Debütantin. Die, die mit dem Holsteiner Wallach Limbridge in diesem Jahr für Schlagzeilen sorgte.
Plötzlich Weltspitze
Es war ein rasantes Jahr für Jana Wargers. Mit Limbridge wurde sie im Großen Preis von Rom Zweite, trug in Aachen maßgeblich zum Sieg des deutschen Teams im Nationenpreis bei, kam ins Weltmeisterschafts-Team mit ihrem großen Idol Marcus Ehning, wurde dort Einzel-Neunte und damit beste Frau im Springreiten. Wie Phönix aus der Asche? Nun, dass diese atemberaubende Geschichte ihren Anfang viel früher hat, werden wir noch lernen.
Bei unserem Besuch liegt die WM ein paar Wochen zurück, es ist Ende August, gerade ist Jana Wargers zurück vom Turnier der Sieger in Münster. Sie braucht Zeit für eine Verschnaufpause. Zehn Tage Urlaub in Griechenland und zu Hause bei ihren Eltern in Emsdetten hat sie nun vor sich. „Die Saison war tough“, sagt sie. „Irgendwann merkt man doch, dass der Akku leer ist. Jetzt ist der Zeitpunkt.“ Wir sitzen an einem langen Esstisch, durch die Glasfassade blickt man auf den Springplatz. Jana Wargers hat ihn im Rücken. Sie konzentriert sich auf das Gespräch, spricht ruhig, überlegt, freundlich und direkt.