Im Interview: Katharina Hemmer
„Dressur ist emotional“
Frankfurt – Katharina Hemmer ist die Durchstarterin der Saison. Vor elf Monaten hat sie Denoix PCH von Hubertus Schmidt übernommen. Der Reitmeister aus Borchen hat beide ausgebildet und sich sehr über die Erfolge in Frankfurt gefreut: Persönliche Bestleistung im Grand Prix und Grand Prix Special. Mit Reiter Revue spricht die 29-Jährige über ihr Jahr, ihre Ansprüche und ihre Entwicklung.
Ihr steigert euch von Prüfung zu Prüfung. Wie gelingt dir das?
Hubertus und ich analysieren die Prüfungen. Wir schauen uns gemeinsam die Videos an, auch im Training schauen wir stets, was wir noch verbessern können. Monica Theodorescu begleitet uns da regelmäßig und gibt mit einem frischen Auge weitere Tipps. Sie bringt es mir mit anderen Worten näher. Anfangs war mein Pferd Denoix noch nicht stark genug. Ihm fehlte es an Kraft, so konnte ich ihn nicht die ganze Prüfung so vor mir halten, wie ich es mir gewünscht hätte. Da bringt es nichts von Turnier zu Turnier zu fahren, sondern da heißt es, gut zu trainieren. Nach dem Turnier in Münster hatten wir eine Pause. Das Trainingslager der Europameisterschaft hat mir danach einen richtigen Push gegeben. Die anderen zu sehen, neue Impulse zu bekommen und neue Ziele zu setzen, hat mir sehr geholfen.
Wie habt ihr seine Kraft gesteigert?
Ich habe vom Deutschen Olympiade Komitee für Reiterei Unterstützung bekommen vom Team der Leistungsdiagnostik. So reite ich nun teils mit einem Pulsmesser und Messgeräten, wie schnell, wie lange und welche Strecke ich reite. Bei Schmidts hinter dem Haus ist außerdem ein recht steiler Berg, den habe ich zuletzt regelmäßiger ins Training eingebaut und habe auf dem Springplatz Intervalltraining im leichten Sitz gemacht. Durchaus auch in einem höheren Tempo, als man es in der Dressur reiten würde. Er hat dadurch deutlich mehr Kraft bekommen.
Es ist 14 Uhr. Du hast noch nichts gegessen. Du bist sonst nicht nervös vor deinen Starts. Heute schon?
Nein, aber es waren viele Emotionen, die nach diesem Sieg hochgekommen sind. Prinzipiell frühstücke ich nie, daher ist es bis jetzt vollkommen in Ordnung.
Du hast den Grand Prix Special mit persönlicher Bestleistung gewonnen. Wurdest du heute schon gekniffen?
Ja, ich habe mich selbst schon gekniffen und wurde auch schon mehrfach gekniffen. Aber so richtig realisiert habe ich es dennoch noch nicht.
Mit welchem Gefühl bist du nach Frankfurt gefahren?
Nachdem Denoix sich in Stuttgart in der Halle nicht so richtig wohlgefühlt hat und ich wusste, dass in Frankfurt alles noch ein wenig dichter ist, war ich mir gar nicht so sicher, wie wir das hinbekommen können. Ich wusste, dass er im Training gut drauf ist und bin zur optimalen Vorbereitung am Mittwoch hergefahren. Da war er richtig nervös und beeindruckt. So war es gut, so früh hier zu sein. Am Donnerstag fühlte er sich schon viel wohler. Da bin ich nur 25 Minuten geritten und er fühlte sich richtig gut an. Monica Theodorescu und Hubertus Schmidt haben mir mein Gefühl von unten bestätigt. Zudem war mein Glück, dass ich am Freitag als zweites Pferd in die Prüfung reiten konnte. Da hat er Selbstbewusstsein getankt und das ist uns heute noch einmal zu Gute gekommen.
Heute seid ihr in der Traversale einmal ins Stocken gekommen. Wie schnell kannst du das hinter dir lassen und einfach weiterreiten?
Sehr schnell. Als ich im Starken Schritt noch einmal den Punkt angesteuert habe, habe ich schon gemerkt, dass er etwas zögerlicher war. Insgesamt ist es aber schon so, dass ich von Lektion zu Lektion reite und alles weitere ausblende. Er kann sich erschrecken, aber das hängt ihm nicht nach.
Ist Denoix ein Pferd, das sich einschüchtern lässt von einer solchen Kulisse?
Er ist ein sehr aufmerksames und sensibles Pferd. Solche Pferde brauchen wir, um auf diesem Niveau reiten zu können. Das macht vieles einfacher, aber manches auch schwieriger. Denoix ist grundsätzlich mutig. Hinzu kommt, dass er noch wenig Erfahrung in der Halle hat. Auf den Outdoor-Turnieren hat er mehr Sicherheit.
Wollt ihr nun mehr Hallenturniere reiten? Oder wie sieht deine Planung für 2024 aus?
Erst einmal soll er eine Pause machen, so haben wir bis jetzt keine Hallenturniere geplant. Vielmehr geht es nun darum, an den Dingen zu trainieren, die wir noch zu verbessern haben. Wir wollen es beim nächsten Turnier noch ein wenig besser hinbekommen. Ein Turnier soll für das Pferd etwas besonderes bleiben. Er soll fit und fröhlich bleiben. Wir werden nun den Plan für 2024 mit Monica Theodorescu durchsprechen.
Woran möchtest du weiter arbeiten?
An der Kraft und damit geht die Aufrichtung einher. Wenn er nervös ist, schwindet ihm die Kraft eher. Dann bleibt er nicht immer ganz gerade, vor allem in der Piaffe und Passage, weil es ihm dann einfach noch schwer fällt. Daran werden wir weiter arbeiten. Genau wie an den Pirouetten, jene haben dieses Wochenende schon deutlich besser funktioniert als zuletzt.
Wenn du auf dieses Jahr schaust, wofür bist du Hubertus Schmidt besonders dankbar?
Für alles. Er ist für mich ein großes Vorbild – fachlich wie menschlich. Ich kann mich immer auf ihn verlassen. Dass ich Denoix reiten darf, ist Wahnsinn. Dafür danke ich ihm und Denoixs Besitzerin. Hubertus steht hinter mir, wir reiten jeden Morgen Denoix zusammen. Dafür nimmt er sich immer Zeit und legt den vollen Fokus auf die Arbeit mit uns. Er versucht das Beste aus uns beiden rauszuholen. Hubertus kann sich an einem Tag wie heute genauso freuen wie ich. Er hat das Pferd und mich ausgebildet. Und ich hätte es ihm genauso gegönnt zu seinem Karriereende mit diesem Pferd nochmals richtig aufblühen zu können. Leider ist es ihm gesundheitlich nicht möglich. Ich bin ihm sehr, sehr dankbar. Für mich wäre es das Schlimmste, wenn er nun daneben stehen müsste und es würde nicht gelingen. Dann würde mir das Herz bluten. Er sagt mir, dass er nichts vermisst, wenn er uns zuschaut und dafür bin ich ihm überaus dankbar. Er unterstützt mich. Er setzt mich nicht unter Druck, sondern unterstützt mich einfach nur positiv.
Nach deinem Ritt lagt ihr beiden euch auf dem Abreiteplatz in den Armen. Ein Bild, das mich sehr gerührt hat.
Hubertus sagt immer, dass der Dressursport nicht so emotional ist. Wahrscheinlich weil in der Prüfung so viel Konzentration von Nöten ist, da ist es sehr still. Wenn man Hubertus aber beobachtet, während ich reite, sieht man sehr viele Emotionen. Dressur ist emotional.
In welche Richtung blinzelst du in Hinblick auf das kommende Jahr?
Nun bin ich im Kader. Es geht um eine mögliche Akkreditierung für Paris. Die Olympischen Spiele sind das Ziel jedes Sportlers. Dort zu reiten, wäre Wahnsinn. Deshalb setze ich mich aber nicht unter Druck. Es wäre einfach noch sehr früh. Ich reite Denoix seit elf Monaten. Das ist keine lange Zeit und es gehören so viele einzelne Bausteine dazu, damit es gelingt. Da ist Druck das letzte, was ich gebrauchen kann, um diesem Ziel näher zu kommen. Das wäre ein limitierender Faktor. Der Sichtungsweg geht in Balve los, dann hoffentlich Aachen und dann mal sehen.
Du reitest mit Denoix seit diesem Jahr internationale Top-Turnieren. Wie viel Lust auf mehr macht dir das?
Ich genieße sehr viel Support aus meinem Umfeld. Mein Handy ist nach dem Grand Prix Special explodiert. Es gibt viele Menschen, die sich herzlich freuen. Das genieße ich und das gibt mir viel. Aber das ist nicht der Grund, warum ich es mache. Ich liebe Pferde und ich reite gerne. Sport auf diesem Niveau ist die Kirsche auf der Sahnehaube. Das genieße ich total. Ich weiß, wie schnell es zu Ende sein kann, umso mehr genieße ich es. Ich versuche mich auf die Basis zu fokussieren und genieße so ein tolles Wochenende.
Wie hätte die 14-jährige Katharina reagiert, wenn jemand ihr gesagt hätte: „Du gewinnst mal vor Isabell Werth und Ingrid Klimke in Frankfurt beim Festhallenturnier?“
Das hätte ich nie geglaubt. Von einem meiner ersten Reitlehrer habe ich viel gelernt. Er hat mir auch ein theoretisches Verständnis vermittelt. Und mir gesagt, dass ich auf meine Handhaltung achten muss, um eines Tages auf Kandare reiten zu können. Selbst das hielt ich damals für unrealistisch. Dabei war ich mit Begeisterung und Ehrgeiz dabei. Meine Eltern haben mich immer unterstützt, doch es war nie absehbar, dass Reiten für mich ein Leistungssport wird. Ich hatte Glück mit meinen Pferden und mit meinem Ausbildungsplatz bei Hubertus Schmidt.
Du sprichst von Glück. Du bist aber auch sehr fleißig.
Ich habe mir viel erarbeitet, hatte Glück und vielleicht auch etwas Talent. Die Arbeit macht aber den Unterschied. Man darf sich für nichts zu schade sein. Man lernt von jedem Pferd, das man reitet. Ich habe jedes Schulpferd geritten und habe von jedem Pferd etwas mitgenommen. Ich war und bin mir nie für ein Pferd zu schade. Es zahlt sich aus, wenn man fleißig ist.
Gönnst du dir heute stolz auf dich zu sein?
Mein Umfeld ist stolz auf mich. Ich bin stolz auf mein Pferd, nicht auf mich.
Vielen Dank für das Gespräch.