Reit- und Fahrverein Karben
Ein Stück Heimat
Frankfurts Skyline liegt hinter uns, der Weg führt ins Grüne und am Ende über ein Sträßchen, das nur eine Adresse hat: Herbert-Wamser-Weg 1. Die Reitanlage am Ludwigsbrunnen, Zuhause des Reit- und Fahrvereins Karben. Absolute Ruhe bis auf das Zwitschern der Vögel. Pferde stehen auf ihren Paddocks, sonnen sich, kauen ihr duftendes Heu, das sie gerade bekommen haben. Wir sind zu früh.
Die ersten Autos fahren vor, Mütter bringen ihre Kinder. Wir treffen auf Thomas Wamser, den ersten Vorsitzenden des RFV Karben und Trainer A, zuständig für den Reit- und Schulbetrieb – seit 1994 macht er das nun schon. Er hat damit das „Erbe“ seines Vaters Herbert, der den Verein ‘74 gegründet hat und hier in der Reithalle tot umfiel, angenommen. Vater und Sohn Wamser, das waren immer „die zwei Verrückten mit Bäumen“, erzählt Thomas Wamser und lacht. Ja, Bäume findet man hier tatsächlich viele, Wamser hat da ein Faible für. Und für neue Ideen. Er ist ein Kreativkopf, will was bewegen, hat Visionen. Früher tobte er sich in seiner Videoproduktionsfirma aus, heute fließen seine Ideen in den Reitverein.
Wir stehen im Herzen der Vereinsanlage: eine Wiese mit knorrigen Bäumen. Auf der einen Seite ein Stalltrakt mit Paddocks, auf der anderen Seite der u-förmige Stalltrakt mit einer überdachten Stallgasse. Heimelig. Das Wort schießt einem durch den Kopf, wenn man hier steht oder durch die Stallgasse geht. Neben den Boxentüren verraten bunte, von den Kindern gestaltete Namensschilder die Namen der Schulpferde und -ponys. 16 gehören dem Verein plus die sechs Shettys, die im Offenstall neben dem großen Springplatz leben. Außerdem wohnen auf der Vereinsanlage noch elf private Pferde. Die Einsteller hier „haben unsere DNA“, sagt Wamser, „sie müssen sich mit uns identifizieren können“. Denn in diesem Verein steckt Leben.
So wie in diesem Moment auf der Stallgasse. Reitlehrerin Andrea Koliopoulos erklärt einem kleinen Mädchen liebevoll, wie es die Zügel zum Führen in den Händen halten soll. „So lang wie dein Unterarm“ soll es die Zügel lassen, gibt sie als Eselsbrücke. Korrekte Ausbildung gepaart mit einprägsamen Bildern und einem freundlichen Ton – so erleben wir sie auch beim Reitunterricht einer Gruppe Reiter, die noch etwas unsicher im Sattel unterwegs sind. Die sind hier genauso willkommen wie kleine Kinder ab fünf Jahren, wie sportlich ambitionierte Reiter oder wie Erwachsene, „die hier ihren zweiten Frühling beim Reiten erleben“, wie es Thomas Wamser beschreibt. „Das unwichtigste ist das Reitenlernen“, sagt der Ausbilder am Rande des Dressurvierecks. „Das wichtigste ist, dass hier alle Spaß haben – das Reitenlernen, das kommt von alleine.“ Die Reiter sollen sich hier wohlfühlen. Ganz gleich, wen wir hier fragen, was diesen Reitverein so besonders macht, die Antwort ist: das familiäre Miteinander, der Verein ist ein Stück Heimat.
Das nächste große Ding
„Wir sind ein innovatives Team, wir haben einen Kindergartentag auf die Beine gestellt, da waren weit über 100 Kinder hier, wir hatten Schulklassen hier, wir sind an Austauschprogrammen mit Reitschulen in England und Frankreich dran. Wir machen uns einfach Gedanken, wie man das Reiten noch bereichern kann. Das belebt den Verein – und auch mich selber.“ Für ein Naturschutzprojekt haben sie hier 1.000 Bäume gepflanzt. Und er wäre wohl nicht Thomas Wamser, wenn er nicht schon wieder eine Idee ausbrüten würde.
Ein Youtube-Kanal des Reitvereins, den Wamser als „Das nächste große Ding“ auf der Homepage ankündigt. In den nächsten zwölf Monaten soll eine Videoserie entstehen mit jeder Menge Wissen rund ums Pferd und Reiten. „Wir wollen unter die Richtlinien der FN, die richtig und perfekt sind, noch eine Etage ziehen, wo man als eher unerfahrener Reiter sich die grundlegenden Basics erklären lässt. Aber ohne diese Scham“, erklärt Wamser. „Ich merke immer wieder, dass sich manche Schüler schämen, wenn sie etwas nicht verstanden haben.“ Wissen, das bräuchte der Sport, findet er. „Aber alles von unten rauf, es muss sich keiner verkriechen.“ Gedreht wird in erster Linie am Reitverein, die Schulpferde sind die Hauptakteure.
Mittlerweile steht Thomas Wamser auf dem Springplatz und gibt wieder Unterricht. Daneben macht sich eine Horde kleiner Kinder mit Sabrina Pietsch, die für den „Club der kleinen Reiter“ zuständig ist, zum Offenstall. Die Shettys hier hat Thomas Wamser auf einem Markt in Holland entdeckt – oder andersherum. Der kleine Spike zum Beispiel lief ihm wortwörtlich in den Bauch. Eine Stute mit Fohlen nahm er auch noch mit. Der Ausflug hatte sich jedenfalls anders entwickelt als geplant. In Karben haben die plüschigen Mitarbeiter ihre Aufgabe fürs Leben gefunden, nämlich den Kleinsten ab fünf Jahren spielerisch Geschmack aufs Reiten zu machen.
„Alle unsere Pferde hier haben eine Biografie und kaum eine ist gut“, erzählt Wamser. Aber hier in Karben sollen sie es gut haben. Und noch etwas liegt Thomas Wamser am Herzen: „Dass die Pferde mich mögen. Die Pferde brauchen ein Urvertrauen zu mir – dann kann ich auch guten Gewissens ein Kind draufsetzen.“ Wertschätzung für die wichtigsten Mitarbeiter, die Pferde, das leben in Karben alle mit. Von der Basis an.