Kommentar: Kein rosaroter Wunsch
Münster – Pferdezungen sind rosa. Das ist der gesunde Normalzustand. Auf den Bildern, die die schwedische Boulevardzeitung Aftonbladet vergangene Woche veröffentlicht hat, sind die Zungen verschiedener Grand Prix-Pferde blau bis violett. Ob die Bilder, die insgesamt alle recht dunkel anmuten, bearbeitet worden sind oder nicht, wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt (noch) nicht. Außer Frage steht zugleich, dass es hinreichend Bilder gibt, auf denen die Pferde mit einem zufriedenen Maul die geforderten Lektionen zeigen. Es gibt – wie immer im Leben – nicht nur schwarz und weiß.
Wir wissen zudem, dass Olympiasieger, Weltmeister und Europameister ihre Pferde mit so einer feinen Anlehnung reiten können sollten, dass kein Sperren nötig ist. Warum gibt von diesen weltweit hocherfolgreichen Reitern also eine Vielzahl an Bildern, auf denen ihre Pferde nicht mit einem zufriedenen Maul die Prüfung absolvieren? Warum wirken die Reiter mit ihrer Hand so ein, dass die Pferde ihre Mäuler aufsperren? Liegt es an der schnellen Abfolge der Lektionen? Liegt es an der Atmosphäre in der Halle? Liegt es daran, wie die Richter Ritte, bei denen Bilder wie diese entstehen, hoch bewerten? Liegt es daran, dass – wie manche meinen – die Zäumungen heutzutage weniger eng verschnallt sind als früher? Liegt es daran, dass ein kurzes Sperren schnell passieren kann? Fragen über Fragen.
Antworten? Isabell Werth wartet noch. Sie will erst geklärt haben, ob die Fotos bearbeitet worden sind oder nicht. Patrik Kittel verweist auf Standbilder einer mehrminütigen Prüfung. Ob das ausreicht, um der Diskussion über Aufnahmen wie diesen gerecht zu werden? Mehr als fraglich. Vielmehr bräuchte es konkrete Bestrebungen von allen Seiten, um den Dressursport wieder glänzen zu lassen. Keine Worthülsen, sondern gelebte Praxis.
Es geht – auch das wissen wir alle – ums Pferd, sein Wohlergehen und letztlich auch um die Zukunft des Sports, den wir mit ihm ausüben dürfen. Und dafür brauchen wir Bilder, die für sich sprechen. Positive Bilder und Richter, die diese belohnen. Können wir uns darauf fokussieren? Was mich nämlich wundert, ist wie eine Lektion, in der das Pferd sein Unwohlsein durch Sperren deutlich macht, entsprechend hoch bewertet werden kann? Die Richterprotokolle geben darüber Aufschluss. Dabei wissen wir alle, wie ein zufriedenes Pferd aussieht. Es ist Zeit, dies noch deutlicher zu honorieren beziehungsweise Punkte abzuziehen. Hoffen wir, dass dies kein rosaroter Wunsch bleibt.
Im Interview: Kerstin Gerhardt
„Das größte Chaos sehe ich bei der Ausbildung der Jungpferde“
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Leseprobe: Bundestrainerin Monica Theodorescu im Interview
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