UPDATE: Weitere Hintergründe zu Richenhagens Entschluss
Wie bereits gestern berichtet, ist Martin Richenhagen, langjähriger CEO des Landmaschinenherstellers AGCO und mit der Marke Fendt größter Sponsor der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), von seinem Amt als Sprecher des Stiftungsrates der Stiftung Deutscher Pferdesport zurückgetreten. Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist die Beziehung, die FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach mit seiner Mitarbeiterin, FN-Justiziarin Constanze Winter, eingegangen ist. Lauterbach hat sich von seiner Frau getrennt, ist bei Constanze Winter eingezogen und hat darüber die FN-Mitarbeiter informiert. Richenhagen sieht in dieser Beziehung jedoch einen Verstoß gegen die Regeln der Compliance und Good Governance. Deshalb hat er sich aus der von ihm mitgegründeten Stiftung, zurückgezogen – auch in seinem Testament wolle er die Stiftung nun nicht mehr, wie ursprünglich geplant, berücksichtigen, teilte er Reiter Revue mit.
Er kritisiert Lauterbach aber nicht nur wegen dessen Beziehung zu der FN-Justiziarin. Richenhagen wirft dem FN-Generalsekretär vor, die FN nicht wirtschaftlich zu führen. Die FN sei im Prinzip ziemlich pleite, sagt er, und „Herr Lauterbach ist als Geschäftsführer für das finanzielle Ergebnis voll verantwortlich“, so Richenhagen gegenüber Reiter Revue. Die Verluste beliefen sich auf mehrere hunderttausend Euro, „das sind viel zu hohe Kosten bei rückläufigen Einnahmen“, so Richenhagen.
Indes haben sich FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach und FN-Präsident Hans-Joachim Erbel bei der Reiter Revue-Redaktion zu Wort gemeldet.
Das sagt Lauterbach zu den Vorwürfen
Ob er damit gerechnet hat, dass seine Beziehung mit Constanze Winter so hohe Wellen schlagen würde? Er habe zumindest ein „gewisses öffentliches Interesse an dieser zunächst privaten Angelegenheit erwartet“, sagt er. Ihm sei bewusst, dass die Situation für die Kolleginnen und Kollegen nicht ganz einfach sei, „aber ich habe aus meiner Sicht alle nötigen Schritte unternommen, damit mein Privatleben keinen Einfluss auf ihre Arbeit hat. Wir gehen transparent mit der Situation um und ich habe dem Präsidium und dem Geschäftsführenden Vorstand gleichzeitig Vorschläge gemacht, welche strukturellen Änderungen wir vornehmen können, um Governance-Themen auszuräumen.“ Er wusste, die strukturelle Zuordnung innerhalb der Geschäftsstelle könne nicht so bleiben, wie sie war. „Wir stellen sicher, dass ich nicht mehr in Entscheidungen eingebunden bin, die Constanze Winter persönlich betreffen“, so Lauterbach (mehr zu der Umstrukturierung weiter unten)
Zum Vorwurf Martin Richenhagens, die finanziellen Probleme der FN seien auf ihn zurückführen, nimmt er wie folgt Stellung: „Die FN ist ein gemeinnütziger Verein. Seit ich FN Generalsekretär bin, bewegt sich das Jahresergebnis der FN stets in dem Rahmen, der von unserer Mitgliederversammlung im Rahmen der Planung beschlossen wurde. Wie viele Unternehmen und Sportverbände haben wir seit Ausbruch der Coronapandemie mit finanziellen Einbußen zu kämpfen gehabt und auch Verluste eingefahren. Wir sehen, dass der Pferdesport angesichts der weltweiten Krisen und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage vor Herausforderungen steht. Wir folgen hier einem mittelfristigen Plan, nach dem wir im kommenden Jahr wieder schwarze Zahlen schreiben werden. Als Teil des FN Führungsteams habe ich meinen Teil dazu beigetragen, die FN gut durch die schwierigen letzten Jahre zu führen. Ich werde dafür weiter mein Bestes geben. Mein Privatleben hat darauf keinen Einfluss.“
Und zu Richenhagens Austritt aus der Stiftung, sagt Soenke Lauterbach: „Die Stiftung ist eine von der FN unabhängige Organisation. Dass vor diesem Hintergrund ein Stifter, der mit der FN oder meiner Person ein Problem hat, aus der Stiftung aussteigt, erschließt sich also nicht. Das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun. Dass die Stiftung einen Förderer verliert, ist schade für die Stiftung und ihre Arbeit.“
So äußert sich FN-Präsident Hans-Joachim Erbel
FN-Präsident Hans-Joachim Erbel hat nicht – wie es Richenhagen fordert – über eine Kündigung Lauterbachs nachgedacht. Auf Nachfrage von Reiter Revue, gab er an: „Nachdem Soenke Lauterbach zunächst mich und dann den Präsidialausschuss persönlich informiert hat, haben wir uns im Präsidialausschuss besprochen. Wir haben in unseren Good-Governance-Regeln einen Passus, der explizit diese Situationen regelt. Hier wird zum einen Transparenz gefordert und zum anderen verlangt, dass Amtsträger und Mitarbeiter der FN sich in ihren Entscheidungen nicht von persönlichen Interessen leiten lassen dürfen. Um ein solches Risiko durch organisatorische Voraussetzungen von Beginn an auszuschließen, haben wir beschlossen, das Justitiariat, das bislang direkt dem Generalsekretär unterstellt war, in den Geschäftsbereich von René Straten (Personal und Finanzen) zu geben. Solche organisatorischen Änderungen sind zustimmungspflichtig durch das Präsidium. Insofern haben wir das Präsidium über die Situation informiert und um Zustimmung gebeten.“
Als Folge werde René Straten zukünftig nicht nur für Personalangelegenheiten, die das Justitiariat betreffen, zuständig sein, sondern er sei nun auch als Fachvorgesetzter über die Durchführung der Aufgaben des Justitiariats zu unterrichten und ist dem Justitiariat gegenüber weisungsbefugt. Das gilt auch dann, wenn diese Aufgaben aufgrund ihres inhaltlichen Zuschnitts in Zusammenarbeit mit Soenke Lauterbach erledigt werden.
Erbel weiter: „Soenke Lauterbach und Frau Dr. Winter haben die notwendigen Personen und Kreise über die Veränderungen in ihrer privaten Situation informiert. Zusammen haben wir die entsprechenden Schritte zur Einhaltung der Governance-Regeln initiiert. Der Rest ist nun wieder ihre Privatsache. Auch wenn es nicht optimal ist, wenn das Privatleben in das geschäftliche hineinwirkt, aber genau dafür haben wir uns ja Regeln gegeben. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass im 21. Jahrhundert jemand versuchen könnte, daraus einen verbandspolitischen ‚Skandal‘ zu machen.“
Hinsichtlich des Jahresergebnisses der FN, äußerte sich der FN-Präsident zuversichtlich. Das voraussichtliche Ergebnis 2023 werde „besser ausfallen als ursprünglich geplant. Diese Verbesserungen – insbesondere durch Kosteneinsparungen – könnte man dem FN-Team ‚anlasten‘. Diese Maßnahmen als auch alle weiteren Veränderungen werden in 2024 wieder zu einem mindestens ausgeglichenem Jahresergebnis führen“, so Erbel.