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Henrik von Eckermann im Interview

„Ich bin nicht der perfekte Reiter“

Seit 30 Monaten führt der Schwede Henrik von Eckermann die Weltrangliste der Springreiter an. Im persönlichen Interview spricht er darüber, von wem er am meisten gelernt hat, was ihn motiviert und welche Verantwortung jeder Reiter trägt.

Der aktuell erfolgreichste Springreiter der Welt: Henrik von Eckermann mit seinem Spitzenpferd King Edward.

Was bedeutet der Reitsport für dich?

Henrik von Eckermann: Ich lebe für die Pferde und den Sport. Ich richte mein ganzes Leben nach den Pferden aus. Ich versuche jeden Tag besser zu werden, denn ich bin nicht der perfekte Reiter. Ich wünsche mir, reiten zu können, wie Marcus Ehning. Er wirkt stets so fein auf die Pferde ein, sitzt so ausbalanciert, reitet seine Pferde optimal zum Hindernis hin. Meine Pferde müssen hingegen mehr mitdenken, mehr ausgleichen und sie tun es für mich. Das bedeutet mir sehr viel und zeigt mir, wie leistungsbereit Pferde sind.

Wie hältst du deine Pferde motiviert?

Ich versuche es, sie möglichst viel Pferd sein zu lassen. Zum einen mit Blick auf die Haltung und das gesamte Management, aber vor allem auch beim Reiten. Sie sollen sich wohl fühlen, Spaß haben und möglichst frei sein beim Reiten. Ich versuche möglichst wenig einzuwirken, ihnen ihre Freiheit zu lassen, damit sie so ihr volles Potential entfalten können. Jedes Pferd muss ein wenig anders geritten werden und das versuche ich bestmöglich umzusetzen. Egal, ob auf dem Turnier oder im Training.

Wie motivierst du dich selbst jeden Tag neu?

Das brauche ich nicht. Von außen schauen viele auf die Erfolge als extrinsische Motivation. Aber das tue ich nicht. Mir geht es um den Weg mit jedem einzelnen Pferd. Es gibt für jedes Pferd unterschiedliche Ziele. Mit einem Pferd wie King Edward geht es für mich fraglos immer darum, perfekt zu agieren. Wenn ich ihn reite, geht es immer um den Sieg. Er kann alles, ich mache die Fehler. Bei anderen Pferden ist es anders, da geht es darum, sie aufzubauen und gemeinsam mit ihnen weitere Meilensteine zu erreichen.

Bei den Olympischen Spielen in Paris bist du von King Edward gestürzt. Wie lange hast du gebraucht, um damit nicht mehr zu hadern?

Ich habe es analysiert und danach konnte ich es überraschend schnell für mich abschließen. Das Leben geht weiter. Der sportliche Erfolg ist für mich sehr wichtig, aber nicht das Allerwichtigste. Ich habe eine Familie, ich darf ein wundervolles Leben führen. Ich habe Siege feiern dürfen und werde das auch wieder tun. King Edward ist sehr gut in Form, wir verfeinern unser Training immer weiter. Es sind Kleinigkeiten, die wir verändern, um immer noch besser zu werden.

Wünschst du dir diesen Willen des Besser-Werden-Wollens für alle Pferde?

Ja. Ich liebe Tiere und meines Erachtens ist jeder Mensch, der sich mit Tieren befasst, in der Verantwortung, sich bestmöglich weiterzubilden, sein Wissen zu erweitern und folglich sehr gut mit Tieren umzugehen. Nicht-Wissen ist in meinen Augen keine Entschuldigung für einen nicht pferdegerechten Umgang. Ein Sattel muss sitzen, die Hufbearbeitung muss stimmen, das Zaumzeug ebenso, genau wie Fütterung und Haltung. Das ist unsere Pflicht als Tierhalter. Ich für mich kann sagen, dass wir das in unserem Stall leben. Immer. In meinen Augen wäre es für die Pferde im Allgemeinen wertvoll, wenn jeder sich täglich hinterfragen würde und es besser machen wollen würde.

In Deutschland wird der Pferdesport von Teilen der Gesellschaft in Frage gestellt. Was bekommst du aus deiner Heimat Schweden und deiner Wahlheimat, den Niederlanden, mit?

In Schweden steht der Sport immer wieder in der Kritik. Uns Spitzenreitern wird vorgeworfen, dass es uns vor allem um das Geld geht. Die Menschen wollen teils nicht sehen, wie viel Zeit, Mühe, Sorgfalt und Liebe wir in unsere Pferde stecken. Sie sehen nur, wie viel Geld ein Pferd gewonnen hat. Sie sehen nicht, warum dieses Pferd so viel Geld gewonnen hat. In den Niederlanden erlebe ich weniger kritische Stimmen.

Wie gehst du mit der Kritik um?

Ich weiß für mich, dass wir alles für unsere Pferde tun. Wir trainieren unsere Pferde – fair sowie nach bestem Wissen und Können. Darauf kommt es meines Erachtens an, ganz unabhängig davon, ob jemand Springen reitet oder Freizeitreiter ist. Entscheidend ist, dass wir gut und mit Sachverstand mit unseren Pferden umgehen. Zweifelsohne nutzen wir die Pferde für unseren Sport. Sie werden dafür über Jahre trainiert.. Unsere Pferde sind für den Sport gezüchtet worden. Zugleich müssen wir Reiter offen und transparent sein. Und daher dürfen wir bei Kritik auch nicht nur zurückweichen. Wenn es den Sport nicht mehr gäbe, hätte das Pferd keine Zukunft mehr in unserer Gesellschaft. Und an diesen Punkt dürfen wir niemals kommen. Den Pferden würde es in dem Fall nicht besser gehen. Im Gegenteil, es würde weitaus schwerer für sie werden.

Und was ist deine Aufgabe als Reiter bei kritischen Stimmen?

Ich bin mir bewusst, es jeden Tag so gut wie mir nur möglich machen zu wollen. Ich weiß, dass ich für manche ein Vorbild bin. Ich möchte es richtig machen. Immer. Das ist mein Anspruch, für mich und vor allem für meine Pferde.

Wie wichtig ist dir der Austausch mit anderen Reitern?

Sehr wichtig. Ich darf mit den besten Reitern der Welt auf den Turnieren sein. Wir tauschen uns aus, wir fragen einander nach Ratschlägen und ich schaue ihnen nach wie vor sehr gerne zu.

Warum?

Weil ich durch das Zuschauen am meisten lerne. Das war schon zu meiner Zeit bei Ludger Beerbaum so. Auch da haben wir uns gegenseitig Tipps gegeben, aber das meiste habe ich durch das Zuschauen gelernt. Ich kann jedem Reiter nur raten, sich andere Reiter anzuschauen.