Stuttgart German Masters 2022
Sensationell! Ingrid Klimke gewinnt Weltcup-Etappe in Stuttgart
Stuttgart – 8.500 Zuschauer waren heute Abend in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle und feierten Ingrid Klimke. Während ihres Rittes, nach ihrem Ritt und erst recht als feststand, dass sie soeben mit Franziskus die Weltcup-Etappe in Stuttgart gewonnen hat. Mit dem 14-jährigen Fidertanz-Sohn Franziskus FRH kam sie auf ein Ergebnis von 83,440 Prozent und verwies damit Isabell Werth auf DSP Quantaz auf den zweiten Rang (82,030) vor Benjamin Werndl mit Daily mirror (81,885).
Eine faustdicke Überraschung war das – vor allem für die Siegerin selbst. „Ich habe wirklich gar nicht damit gerechnet“, sagte Ingrid Klimke. „Als wir nach Stuttgart gefahren sind, dachte ich, ein fünfter Platz wäre schon toll. Dann gestern der zweite Platz war für mich schon sensationell und jetzt zu gewinnen – ich muss das erst mal realisieren.“ Mit Franziskus setzte sie auf Gute-Laune-Musik, Latin Pop mit Alvaro Soler und Co. – damit steckte sie direkt zu Anfang ihrer Kür das Publikum an, das beim ersten starken Trab schon mitklatschte. „Da hab ich kurz zusammengezuckt und dachte, ‚jetzt ganz ruhig bleiben‘, nicht dass Franz gleich durchstartet. Aber er blieb bei mir, war fokussiert. Von Anfang an hatte ich heute dieses Gefühl und ich habe gemerkt, wie die Leute mitgewippt haben.“ Am Ende der Vorstellung gab es dann auch auf den Rängen kein Halten mehr. Ingrid Klimke übernahm die Führung, aber dass sie die Siegerin werden würde, ahnte da noch keiner. Denn es kamen ja noch Dorothee Schneider, Benjamin Werndl und vor allem Isabell Werth.
Ohne wenn und aber
Und die ritt mit großer Vorfreude in den Hexenkessel von Stuttgart und mit Vorfreude auf die Kür zu Bonnie Tyler-Musik. Sie passt zu Quantaz und ist gespickt mit Highlights, unter anderem die Reihe Galopppirouette-Zweiertempi-Einertempi-Galopppirouette. Am Stück! Ohne Fehler wäre das heute Platz eins für geworden. Ein Aussetzer in einer Galopppirouette links und ein Fehler in den Zweierwechseln kostete Werth den Sieg.
Happy war sie trotzdem, über die Kür, die sie liebt, und noch mehr über die Entwicklung des Pferdes. „Quantaz zeigte sich auch heute wieder viel gelassener, er war schon elektrisch, aber hat super mitgemacht. Nur um zu gewinnen, hätte ich fehlerfrei reiten müssen“, fasste Werth zusammen, die die Weltcup-Saison mit Quantaz und Emilio weiterplant und klar einräumt, dass sie den Weltcup-Finalsieg in diesem Jahr nicht holen wird, „aber vielleicht den übernächsten".
Ken – Botschafter für den Sport
Der Hexenkessel von Stuttgart – er hätte auch das Weltcup-Finale sein können. Dem stimmte der drittplatzierte Benjamin Werndl zu – mit Daily mirror hatte er Weltcup-Final-Stimmung in Göteburg schon schnuppern können, 2019 war das. „Das war auch so eine Stimmung. Das hat mich sehr gepackt und Ken auch.“ Meint, in der Piaffe-Pirouette wurde der Wallach dann kurz doch noch ein bisschen größer, als das Publikum zum klatschen ansetzen wollte. Doch Werndl konnte ihn beruhigen und die Kür zu afrikanischen, teils imposanten Klängen nach Hause reiten.
Es war eine frische, harmonische Vorstellung, die die beiden abgeliefert hatten. Keine Spur von 18 Jahren, „Ken ist heute losgetrabt wie ein Sechsjähriger“, freute sich Werndl. Nach Stuttgart wollte der 38-Jährige über einen Abschied seines Erfolgspferdes aus dem Sport nachdenken. Auf die Frage, ob er man nach so einer Vorstellung könne, antwortete Werndl mit einem klaren „Nein“. Er plane Ken in Stockholm zu reiten, alles weitere warte er ab und höre auf und in sein Pferd. Aber dass er Ken im kommenden Jahr in die sportliche Rente verabschieden werde, sei sicher. „Ich bin mega happy, dass er mit 18 Jahren noch so fit ist. Er ist ein guter Botschafter für unseren Sport.“
Die braucht es gerade in diesen Zeiten. Und dazu gehörten gestern abend ganz sicher auch die Erstplatzierten, allen vor Ingrid Klimke, die auch ein Stück Familiengeschichte weitergeschrieben hat. Vor 35 Jahren gewann ihr Vater Dr. Reiner Klimke in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle die Kür mit Pascal, vor 20 Jahren gewann Ingrid Klimke die Kür mit Nector und nun 2022 mit Franziskus, mit dem sie so viele Höhen und Tiefen schon erlebt hat.