Weltcup-Finale Dressur: Isabell Werth setzt Ausrufezeichen
Göteborg/SWE – Das sind die Situationen, die Isabell Werth noch einen Tick besser als andere machen. Eine nicht ganz ideale Startposition und eine bärenstarke Konkurrenz nach ihr. Als 11. von 18 Startern ritt sie ins Viereck. Ansporn für sie. Und sie und Weihegold lieferten souverän ab. Heute stand iim Scandinavium von Göteborg der Grand Prix für die Weltcup-Finalisten in der Dressur an – morgen ab 16 Uhr geht es in der Kür dann um alles.
Werth und Weihe, das machte heute schon Lust auf morgen. Die Lektionen präzise, die Stute wirkte in jeder Sekunde unglaublich fokussiert. Nach den Pirouetten huschte der 49-jährigen Reiterin ein Lächeln über das Gesicht, die letzte Linie aus Passage-Piaffe-Passage war nahezu perfekt. „War nicht so schlecht, oder?“, fragte sie beim Ausritt in die Runde und verteilte Küsschen an Bundestrainerin Monica Theodorescu, Mäzenin Madeleine Winter-Schulze und Dressur-Mannschafts-Tierarzt Dr. Marc Koene. 81,755 Prozent lautete das Ergebnis für Werth und die 14 Jahre alte Don Schufro-Sandro Hit-Tochter. „Weihe ist unglaublich gut drauf, sehr motiviert, teilweise auch ein bisschen übermotiviert“, sagte Isabell Werth nach der Prüfung. „Aber ich hier in Göteborg ist sie unglaublich konzentriert, ich habe mich in der Prüfung wahnsinnig wohl gefühlt.“ So kann es aus ihrer Sicht morgen gerne weitergehen. „Weihe wird für mich kämpfen. Allerdings wird die Konkurrenz auch kämpfen. Ich spüre schon ihren Atem in meinem Nacken.“
Hungrige Konkurrenz
Die Rede ist von der zweitplatzierten US-Amerikanerin Laura Graves und dem Dänen Daniel Bachmann Andersen. Unter anderem. Graves Partner im Viereck, Verdades, ist mittlerweile 17 Jahre alt – „er ist in der Form seines Lebens“, sagte seine Reiterin. 80,109 Prozent gab es im Schnitt von der siebenköpfigen Jury am Rande des Dressurvierecks. Und dass die 31-Jährige große Lust hat, Isabell Werths dritten Weltcup-Sieg in Folge zu verhindern, ist wie zu erwarten groß. Im vergangenen Jahr beim WC-Finale in Paris, hatte sie Isabell Werth im Grand Prix geschlagen, in der Kür knapp das Nachsehen gehabt. „I’m very hungry“, um es in Graves' Worten zu sagen.
Den Hunger spürt sicherlich auch Daniel Bachmann Andersen, wirkt dabei aber etwas gelassener. Dänisch gelassen. Mit seinem Blue Hors Zack lieferte auch er eine ansprechende Runde ab, 78,152 gab es seitens der Richter. In den Piaffe könnte der Hengst noch etwas mehr in Aufrichtung bleiben.
„Ich kam mit einem Sieg in ‘s-Hertogenbosch hierher, das hat mir schon mal ein gutes Gefühl gegeben. Ich habe Zack in der Zwischenzeit nur locker gehalten“, erklärte der 28-Jährige. Sein Plan ging hier voll auf, der 15 Jahre alte Rousseau-Jazz-Sohn zeigte sich frisch und konzentriert. „Ich habe das Gefühl, er wird immer besser, je näher die Menschen sind, je lauter der Applaus.“ Frenetische feiernde Fans gibt es hier in Göteborg auf jeden Fall jede Menge. Der Grand Prix war unglaublich gut besucht. Für Zack offensichtlich genau richtig. Trotz seines Handicaps. Der Hengst ist auf dem rechten Auge blind – sechsjährig hatte er sich die Schnalle des Halfters so unglücklich ins Auge geschleudert, dass die Tierärzte sein Augenlicht nicht retten konnten, aber immerhin das Auge. Er kann zwinkern, aber eben nichts sehen. Auf der linken Hand muss ihm der Reiter etwas helfen, „ich reite ihn etwas weniger nah an der Vierecksumrandung, aber ansonsten kommt er unglaublich gut damit zurecht“, erklärt Bachmann Andersen.
Von wegen alte Eisen
Fünf Pferde in diesem Dressur-Weltcup-Finale sind 17 Jahre alt, neben Verdades ist das auch Damsey FRH, der Dressage Royal-Ritual-Sohn von Helen Langehanenberg. Und die war heute äußerst zufrieden mit ihm. Zurecht. 76,957 Prozent so das Ergebnis, Platz fünf. Die letzte Linie aus Passage und Piaffe, war nicht ganz rund, er stockte etwas. Ansonsten gab es nicht viel zu meckern. „Für ihn ist das genau die richtige Kulisse, er ist so eine Rampensau, so wie Damon Hill“, sagte die 36-Jährige. Hier in Göteborg an den Start gehen zu dürfen, „dafür haben wir gekämpft“. Als Monica Theodorescu ihr im vergangenen Jahr die Absage für die WM in Tryon gab, lautete die erste Frage von Helen Langehanenberg: „Aber Weltcup darf ich reiten, oder?“ Die ein oder andere Träne sei damals schon geflossen, gibt sie zu. „Aber es schürt natürlich auch den Ehrgeiz.“ Umso größer die Freude im Finale zu sein und morgen in der Kür anzugreifen. „Ich habe große Lust, morgen nochmal so eine Runde wie in ‘s-Hertogenbosch zu reiten und ich hoffe, Damsey hat den gleichen Wunsch“, sagte Langehanenberg, „aber ich möchte es auch genießen“.
Werndls Debüt
Das möchte sicherlich auch der dritte deutsche Reiter im Bunde: Benjamin Werndl. Der Weltcup-Debütant war nach seinem Ritt vor allem eins: „Ein bisschen erleichtert.“ Er platzierte sich nach seinem Ritt mit Daily Mirror auf Rang elf (73,758 Prozent). In der Grußaufstellung sprang der Damon Hill-Florestan I-Nachkomme kurz weg, „ich wollte rasch grüßen, aber das war für ihn etwas zu rasch. Da habe ich ihn fast verunsichert. Das möchte ich morgen etwas ruhiger machen“, so die Analyse des Bayern. In den Zick-Zack-Traversalen schwenkte der Wallach etwas aus, in den Piaffen sieht er auch noch Potential nach oben. „Es kam noch nicht die letzte Souveränität auf, die wir haben können. Daran arbeite ich weiter, dass ich sie auch in solchen Extremsituationen abrufen kann und sie auch dem Pferd geben kann“, sagte Werndl nach seinem Ritt mit „Ken“, so Daily Mirrors Stallname. Morgen möchte der 34-Jährige vor allem noch mehr Ruhe in seinen Ritt reinbringen. Und wie empfand er die Atmosphäre bei seinem ersten Weltcup-Finale? „Ist schon cool. Ein Highlight.“