Leseprobe: Kritik an der Pferdezucht
„Die Pferde werden immer instabiler“
Immer weniger junge Pferde sind noch gesund und belastbar, sagt Dr. Katharina Ros. Vor 20 Jahren waren zahlreiche Pferde mittleren Alters im Turniersport vertreten: „Wenn Sie versuchen heute ein 15-jähriges gesundes Pferd zu verkaufen, was in der schweren Klasse geht, finden Sie keinen Käufer mehr. Niemand glaubt daran, dass dieses Pferd noch eine Saison ‚hält‘.“
Die Ursache dafür sieht die Tierärztin in Veränderungen des Exterieurs und der Statik der Pferde durch die Zucht: „Ursprünglich wollte man ein Bergaufmodell züchten. Durch Anpaarungen von raumgreifend fußenden Pferden veränderte sich die Statik bezüglich Körpermaße, Schwerpunkt, Balance.“ Heute züchte man meistens ein Pferd in Abwärtshaltung. „Diese Pferde erscheinen ‚bergauf‘ durch einen hohen Widerrist, die Linie Kniescheibe zu Ellbogenhöcker zeigt jedoch immer steiler ‚bergab‘. In der Bewegung federt der Brustkorb weit nach unten, dies belastet vermehrt den Schultergürtel und die Vorderbeine“, klärt Katharina Ros auf.
Geht die Zuchtentwicklung in die falsche Richtung?
In einem Online-Video machte Ros auf die Probleme aufmerksam. Dies sorgte für Diskussionen in der Reiterwelt. Die Tierärztin, die sich mit gesundheitsfördernder Rittigkeits-Optimierung und dem Schwerpunkt Zahnmedizin beschäftigt, kritisiert, dass sich das Zuchtziel verändert hat. Von einem stabilen, gesunden, langlebigen Pferd hin zu einem extrem beweglichen, bewegungsstarken, leichtrittigen, aber deutlich instabileren Pferd: „Die Pferde werden immer langbeiniger, schmalbrüstiger und kürzer, die Köpfe werden deutlich kleiner, so dass die Backenzähne schwerlich Platz im zu kurzen Kiefer finden. Ich habe immer häufiger Kunden mit früh lahmen und unreitbaren Pferden, die zudem wenig belastet worden sind.“
Sie macht ein Problem deutlich, das besonders die Dressurpferde betrifft: Die Zucht fokussiert sich auf das Erschaffen von Bewegungswundern auf Kosten der Gesundheit der Pferde. Nach ihren Beobachtungen werden dem Takt und einem zum Körper passenden natürlichen Bewegungsablauf zu wenig Beachtung geschenkt. Teilweise würden Hengste gekört und prämiert, die keine taktreinen Bewegungsabläufe zeigen.