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Europameisterschaften 2019

EM Rotterdam: Deutsche Übermacht in der Kür: Werth vor Schneider und von Bredow-Werndl

Drei persönliche Bestleistungen, drei überragende Ritte und zum ersten Mal in der Geschichte der Europameisterschaften ein rein deutsches Podium in der Dressur. Das war die Kür in Rotterdam.

Drei deutsche Damen vorne in der Kür: Gold für Isabell Werth, Silber für Dorothee Schneider und Bronze für Jessica von Bredow-Werndl.

Rotterdam/NED – „Das war die verrückteste Woche in meinem Leben“, sagte Jessica von Bredow-Werndl lachend, nachdem sie mit sagenhaften 89,107 Prozent nicht nur Bronze gewonnen, sondern ihre Teamkolleginnen auch ordentlich unter Druck gesetzt hatte. Im Grand Prix noch in Tränen aufgelöst, weil ihre zwölfjährige Trakehner Stute TSF Dalera BB in der Trabtraversale äppelte und kurz einen Stopp einlegte, so dass die gesamte Lektion in die Hose ging, war die 33-Jährige in der Kür nur noch begeistert von der Easy Game-Tochter. „Ganz am Anfang war sie ein bisschen nervös und ich auch. Aber dann habe ich, kurz bevor ich eingeritten bin, zweimal tief durchgeatmet und dann waren wir beide voll fokussiert.“ Eine fehlerfreie Prüfung voller Leichtigkeit und mit der Musik aus dem Soundtrack zu La La Land in jeder Sekunde voll im Einklang war das Ergebnis. Die Höhepunkte klar in den Piaffen und Passagen, aber ebenso gut gelungene doppelte Pirouetten und Traversalen brachten das Paar vorerst auf Rang eins. Zum ersten Mal in dieser Woche waren die Tribünen voll besetzt, was die Stimmung in der Arena für Pferd und Reiter gleichermaßen sowohl schwierig als auch besonders machte. Einige Pferde hatten damit sichtlich zu kämpfen. Dies konnte man von den drei deutschen allerdings nicht behaupten.

Jessica von Bredow-Werndl und TSF Dalera BB steigerten sich von Prüfung zu Prüfung, mit Kür-Bronze als Ergebnis.

Nach Jessica von Bredow-Werndls Vorlage lieferte die Bronzemedaillengewinnerin aus dem Special, die Dänin Cathrine Dufour, mit ihrem 16-jährigen Wallach Atterupgaards Cassidy eine starke Prüfung zu den Klängen von Felix Jaehns Ain’t nobody (Loves me better) ab, kam mit 87,771 Prozent jedoch nicht ganz an die deutsche Team-Europameisterin heran.

Isabell Werth und Bella Rose - die neuen Triple-Europameister.

Kurz darauf gingen Isabell Werth und Bella Rose ins Viereck, um nicht nur Werths Kür-Titel zu verteidigen, sondern ihr außerdem EM-Goldmedaille Nummer 20 zu sichern. Zu Ode an die Freude zeigte die 15-jährige Belissimo-Tochter wieder klare Höhepunkte in der Piaffe-Passage-Tour, holte das für sie Mögliche aus dem starken Trab heraus und lieferte eine fehlerfreie Galopptour ab. Zwischenzeitlich lag das Paar unter der Note ihrer Teamkollegin, doch besonders auf der Schlusslinie machte Isabell Werth das, was sie einfach am besten kann. Sie kämpfte noch einmal um jeden Punkt und als Bella Rose in einer ganzen Pirouette wie ein Metronom piaffierte, begann das Publikum zu klatschen und begleitete das Pferd Tritt für Tritt bis zur Grußaufstellung. „Es war eine so tolle Atmosphäre“, freute sich die 50-Jährige, nachdem sie mit 90,875 Prozent in Führung gegangen war. Dass nach ihr direkt Dorothee Schneider und Showtime FRH ins Viereck einritten, ließ sie aber rund zehn Minuten bangen, ob es tatsächlich für Gold gereicht hat.

Dorothee Schneider und Showtime FRH: zweimal Silber, einmal Gold.

Die Silbermedaillengewinnerin aus dem Special und ihr 13-jähriger Wallach ließen die Show wortwörtlich zu Queens „Show must go on“ beginnen. Einen Trab wie auf Sprungfedern, elastisch federnde Passage-Sequenzen, abgewechselt mit Piaffen, die zwar in Sachen Kadenz nicht an die einer Bella Rose heranreichen, aber mit guter Hankenbeugung immer aktiv gezeigt werden. Ein kleiner Fehler in den Einerwechseln machte möglicherweise die allesentscheidende Punktzahl hinter dem Komma aus, die letztendlich Silber und nicht Gold bedeutete. 90,561 Prozent. „Ich habe gar nicht über die Noten der anderen nachgedacht, sondern den Ritt nur genossen. Showtime war auf den Punkt bei mir und hat mir ein unbeschreibliches Gefühl gegeben“, sagte Dorothee Schneider, über Silber nicht weniger glücklich. Sie gehört nun zum illustren Kreis der Reiter, die die 90 Prozent geknackt haben – und bekam in der Siegerehrung als erste die Champagnerdusche ab, die Isabell Werth ihren Kolleginnen gönnte. Die alte und neue Kür-Europameisterin war von der Spannung regelrecht geflasht. „Das war so spannender Sport. Es hätte alles passieren können.“ Über Bella Rose war sie wie immer voll des Lobes: „Es war eine lange, anstrengende Woche, aber sie hat in jeder Prüfung alles gegeben.“ Dem Publikum dankte Isabell Werth den frenetischen Jubel mit dem, was ihre Stute am besten kann: Auf der Ehrenrunde legte sie vor jeder Tribüne eine kurze Piaffe-Einlage ein. Dafür wurde sie noch einmal gefeiert.

Der beste Niederländer war Edward Gal, der mit Glock’s Zonik N.O.P. eine neue Kür zu melancholisch schweren Klängen präsentierte. Highlights waren fraglos die Verstärkungen, die Passage zeigte der elfjährige Blue Hors Zack-Sohn hingegen im Hinterbein ungleich. Mit 84,271 Prozent lag Gal knapp hinter der Irin Judy Reynolds auf Rang sechs. Reynolds legte mit ihrem mittlerweile 17-jährigen Vancouver K als letzte Reiterin eine schöne Runde zu irischen Klängen hin und holte satte 85,589 Prozent. An die Übermacht der Deutschen, die Equipe-Chef Klaus Roeser kurz die Tränen in die Augen trieb, kam sie aber nicht heran. Bundestrainerin Monica Theodorescu war begeistert, dass jede Reiterin ihre persönliche Bestleistung „beim Jahreshöhepunkt abrufen konnte“ und ergänzte: „Natürlich haben wir auch etwas von der Disqualifikation von Charlotte Dujardin profitiert, aber mit 89 Prozent Dritte zu werden, ist schon eine Hausnummer.“