Interview mit dem freigestellten Personal- und Finanzgeschäftsführer der FN
René Straten: „Es war ein Blindflug“
Herr Straten, haben Sie gekündigt oder wurden Sie gekündigt?
Ich habe Sönke Lauterbach am 8. April meine Kündigung auf den Tisch gelegt.
Warum?
Ich bin mit der wirtschaftlichen Entwicklung der FN nicht einverstanden. Wir hatten zuletzt einen größeren Disput, weil zusätzlich eine neue Leiterstelle im Bereich Kommunikation geschaffen werden sollte. Jene sitzt aber absolut nicht drin, weil sie nicht kostenneutral möglich gewesen wäre – auch wenn dies nun anders dargestellt wird. Ich beanspruche für mich als Personal- und Finanzvorstand bei Entscheidungen, die erhebliche finanzielle Tragkraft haben, ein gehöriges Wort mitsprechen zu können. Im Vorstand haben wir immer zu viert abgestimmt, in den vergangenen Monaten war es häufig so, dass die Entscheidungen 3:1 ausgefallen sind. Manche Entscheidungen konnte ich aufgrund der finanziellen Situation nicht mittragen.
Was zum Beispiel?
Den Championatsball wieder zu planen. Die Idee, das Event aufzugeben, habe ich bereits 2022 vorgetragen. Es ist eine Veranstaltung für den Spitzensport. Doch die Spitzensportler aus Dressur und Springen sind nicht vor Ort. Es war eine schöne Veranstaltung mit einer guten Idee, aber bei leeren Kassen muss man sich auch davon trennen. Das wollte man lange nicht, nun geht es plötzlich doch.
Wie hoch waren die Kosten für den Championatsball?
Ich darf nicht zu sehr ins Detail gehen, weil mein Arbeitsvertrag aus meiner Sicht noch bis zum Ende des Jahres läuft. Ich kann nur sagen: Wir reden über eine sechsstellige Summe.
Warum haben Sie sich gegen eine weitere Leitungsstelle ausgesprochen?
Die Diskussion über die neue Leitungsstelle hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Ob jene Stelle geschaffen werden soll, wurde im Präsidium besprochen. Es gibt ein Protokoll des Präsidialausschusses, in dem es heißt, der Vorstand habe sich einstimmig für die neue Stelle ausgesprochen. Doch das stimmte nicht, ich habe mich deutlich dagegen ausgesprochen und deswegen auch auf eine Korrektur des Protokolls bestanden.
Wenn dies das Fass zum Überlaufen gebracht hat, wie groß war Ihre Unzufriedenheit zuvor?
In den vergangenen anderthalb Jahren ist die Unzufriedenheit gewachsen. Es ist kein Geheimnis, dass ich das Bundeschampionat sehr kritisch gesehen habe, weil dieses – fraglos tolle – Turnier in den vergangenen Jahren ein großes finanzielles Defizit in den Haushalt der FN gerissen hat. Wie soll man so etwas vor seinen Mitarbeitern rechtfertigen, wenn jene einem vorwerfen, am Personal zu sparen? Als Personal- und Finanzvorstand hatte ich da durchaus Gewissensbisse.
Die Mitarbeiter haben also höhere Gehälter gefordert?
Ja, es gab eine harsche Kritik seitens der Belegschaft. Sie müssen wissen, dass wir uns an den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes anlehnen. Der hat im vergangenen Jahr einen enormen Abschluss gemacht, den wir nicht in vollem Umfang für unsere Mitarbeiter angewendet haben. Uns wurde vorgeworfen, an vielen Stellen Geld rauszuschleudern, aber beim Personal zu sparen. Das ist keine schöne Situation. Die Mitarbeiter sind stets das höchste Gut für das Unternehmen.
Sehen Sie es denn auch so, dass für alles Geld ausgegeben wurde, nur nicht für die Belegschaft?
Wir haben eine Betriebsvereinbarung, die die Dinge regelt. Darin ist auch die prozentuale Steigerung vorgesehen. Auf der anderen Seite sehe ich, dass Events wie der Championatsball und die Bundeschampionate nicht wirtschaftlich genug betrachtet wurden, weil der Spitzensport über allem steht. Ob das richtig oder falsch ist, darüber kann man streiten. Der Spitzensport ist eine wichtige Säule der FN, aber man muss darauf achten, dass alles im Gleichgewicht bleibt.
Inwiefern hat es Sie überrascht, dass Sönke Lauterbach Ihnen im Umkehrschluss am 23. April die Kündigung ausgesprochen hat?
Sehr überrascht. Ich bin maßlos enttäuscht. Wir hatten im Vorstand ein sehr gutes Verhältnis, auch wenn wir uns in den vergangenen Monaten das eine oder andere Mal gekebbelt haben. Diese Vorgehensweise hätte ich nicht erahnen können. Ich denke über nichts anderes nach und frage mich, wie es dazu kommen konnte. Vielleicht war es naiv von mir, am 8. April zum Ende des Jahres zu kündigen, und dann zu glauben, es passiert nichts. Machen wir uns nichts vor: Für die Verbandstagung in Dresden kommende Woche hat man mit mir nun jemanden, der das Schiff verlassen will und den man als Schuldigen präsentieren kann.
Fühlen Sie sich machtlos?
Ja, ich fühle mich machtlos, hilflos. Ich habe keinen Halt mehr. Gleichzeitig bekomme ich aus den Reihen der Belegschaft so viele Nachrichten, die mir positiv zusprechen. Sie wissen, dass ich in den vergangenen Jahren stets derjenige war, der dazu gemahnt hat, den Gürtel enger zu schnallen und mehr zu sparen. Der Zuspruch ändert die Situation nicht, aber spendet moralisch Trost und zeigt mir, dass ich die Menschen hinter mir habe und nicht alles falsch gemacht habe.
Seit wann haben Sie vor dem finanziellen Desaster gewarnt?
Ende 2021, Anfang 2022. Da haben wir gemerkt, dass die Nachwirkungen von Corona weiter spürbar sind. Uns war klar, dass wir das Vor-Corona-Niveau nicht wieder erreichen werden. Das finanzielle Ergebnis der FN ist sehr stark vom Turniersport abhängig. Es gab diverse Aufgabenanalysen, die deutlich gemacht haben, dass wir bestimmte Aufgaben aufgeben müssen, weil sie kein Geld bringen. Es gab aber stets fachliche Gründe, die belegt haben, warum dies und jenes wichtig ist.
Ende 2023 gab Hans-Joachim Erbel bekannt, dass die finanzielle Situation sich 2024 deutlich bessern soll. Nun ist öffentlich: Das Minus verdoppelt sich. Was haben Sie gedacht, als die Prognosen für 2024 bekannt wurden?
Ich habe damals schon gesagt, dass das eine sehr optimistische Sichtweise ist. Die ganze Szene weiß, dass sich der Reitsport nicht auf Vor-Corona-Niveau erholen wird. Es ist ein Wunschdenken, das alles besser wird. Ein Beispiel: Die Herpes-Impfpflicht mag veterinärmedizinisch vertretbar sein, aber es war klar, dass die FN finanziellen Schaden nehmen würde. Es ist ein Desaster, dass wir uns diese Tatsache immer wieder schön geredet haben.
Ist dann das, was Herr Erbel jüngst verkündet hat, erst recht ein Traumschloss an Zahlen? Wie soll die FN einen Millionenbetrag ausgleichen?
Die Zahlen erstaunen mich. Mich erstaunt aber auch, dass beispielsweise der Championatsball nun gestrichen wird. Mich erstaunt einiges.
Womit haben Sie eigentlich gepunktet, als Sie bei der FN angeheuert haben?
Ich bin kein Reiter. Mir fehlt die Emotionalität zum Reitsport und ich wollte die FN genauso wirtschaftlich führen wie jedes andere Unternehmen. Ich bin ein Zahlenmensch. Aufgrund der Struktur eines Verbandes ergeben sich aber Unterschiede. In einem Verband dauern Entscheidungsprozesse oft ein halbes Jahr, weil sie durch sämtliche Gremien müssen. Ob ein Verband in so einer Struktur in dieser schnelllebigen Welt noch überlebensfähig ist, ist eine andere Frage. Fakt ist, mir fehlt die Emotionalität. Eine Zahl ist eine Zahl. Es kommt nicht auf das Projekt oder Turnier an, sondern auf das Ergebnis.
Wie lange waren Sie bei der FN?
Seit dem 15. März 2021.
Also haben Sie nahezu von Anfang an auf die finanzielle Situation aufmerksam gemacht?
Richtig. Ich bin sogar so weit gegangen, dass ich gesagt habe, dass mit dem aktuellen Buchhaltungssystem kein vernünftiges Controlling möglich ist. Wir wollten im Jahr 2024 eine neue Software einsetzen, weil wir immer nur in die Vergangenheit schauen konnten. Wir haben stunden- und tagelang Tabellen gewälzt, um ungefähr abzuschätzen, wie sich manches entwickeln wird.
Ist das System veraltet?
Total veraltet! In dem Unternehmen, in dem ich vorher gearbeitet habe, gab es Monatsabschlüsse. Das ist bei der FN nicht möglich.
Inwieweit hat es Ihre Arbeit behindert, mit entsprechender Software zu arbeiten?
In vielen Dingen war es oft ein Blindflug. Es hat den Alltag erschwert. Daher kam die Idee, dass wir eine neue Software brauchen. Ich denke, dass viele Delegierte nichts von diesem Problem wissen, auch die Mitgliedsverbände nicht. Ich möchte keine Schlammschlacht. Ich möchte nicht fies nachtreten. Ich möchte nur einige Dinge geraderücken.
In der Pressemitteilung der FN zum jetzt geplanten Sparkurs stellte Hans-Joachim Erbel heraus, dass es in Bezug auf Ihre Person „keinen Verdacht auf Veruntreuung oder Ähnliches gibt“. Reicht Ihnen das?
Allein der Verdacht ist eine Beleidigung. Wir haben sehr vertrauensvoll und gut zusammengearbeitet. Ich war derjenige, der immer zum Sparen aufgerufen hat. Daher ist es für mich unerklärlich, wo der Verdacht herkommt. Ich fühle mich als Bauernopfer. Dass sich die Dinge nach meiner Kündigung so entwickeln, hätte ich nicht für möglich gehalten. Wir hätten reden können. Nach der Kündigung am 8. April hatte ich die außerordentliche und fristlose Kündigung im Briefkasten – ohne Angaben von Gründen. Niemand hat mit mir gesprochen. Dabei hätte ich das erwartet. Dass ich aus der Presse erfahre, was mir vorgeworfen wird, dafür finde ich keine Worte.
Wie verliefen die Gespräche zwischen den beiden Kündigungen?
Es gab keine.
Wenn es nun ein Gespräch gäbe, was würden Sie als Erstes besprechen wollen: die Finanzen oder das Miteinander?
Weil es als allererstes um den Verband geht, die Finanzen. Meine persönliche Geschichte würde ich zurückstellen. Das wäre der zweite Schritt.
Wie war die Reaktion von Sönke Lauterbach auf Ihre Kündigung?
Ich habe sie persönlich übergeben. In der Woche zuvor war ich im Urlaub und habe jeden Tag gearbeitet. Und dabei war ich schon länger unzufrieden, weil die Schere zwischen meinem Selbstanspruch und der Umsetzung immer größer geworden ist. Es passte nicht mehr zusammen. Wenn ich mich zwischen Familie und Beruf entscheiden muss, entscheide ich mich für die Familie. Sönke Lauterbach und ich haben über meine Kündigung gesprochen. Ich habe gesagt, dass wir reden können, aber dass ich die Kündigung nicht zurückziehen werde.
Also ist die fristlose Kündigung ein Schachzug seitens Sönke Lauterbach?
Leider ja. Das verletzt mich wirklich.
Können Sie schon in die Zukunft schauen?
Nein, noch nicht. Ich wollte bis zum 31.12.2024 für die FN weiterarbeiten, meinen Nachfolger einarbeiten und mir zum nächsten Jahr einen neuen Job suchen. Diese Schritte hatte ich für mich geplant.
Was war Ihr persönliches Ziel, was Sie noch für die FN schaffen wollten?
Die neue Buchhaltungssoftware einzuführen, auf solide Beine zu stellen und an meinen Nachfolger zu übergeben. Er sollte es leichter haben.
Möchten Sie beruflich in der Pferdewelt bleiben?
Es ist eine Welt, die mir Spaß macht. Die Szene ist toll. Ich habe fantastische Menschen kennengelernt. Mein Steckenpferd ist der Bereich Personal und Finanzen und dabei bleibe ich auch.
Wie geht es Ihnen jetzt?
Ich werde lange brauchen, um die Geschehnisse komplett zu verarbeiten.
Was hat Sie besonders enttäuscht?
Ich hatte am 23. April um 10 Uhr die fristlose Kündigung im Briefkasten, noch am selben Tag habe ich einen Aufhebungsvertrag zugeschickt bekommen. Jener grenzte an eine Beleidigung. Sagen wir mal so: Hätte ich ihn unterschrieben, hätte ich meinen Job richtig mies gemacht. Der Vertrag ist vom Tisch. Die Frist ist abgelaufen. Es ist traurig und bezeichnend, dass mir so etwas überhaupt zugestellt worden ist.
Leseprobe: Die Deutsche Reiterliche Vereinigung in der Kritik
Zentrale, bitte kommen!
Zu träge, zu passiv, zu wenig an Mensch und Pferd, strategielos, nicht zukunftsfähig und noch dazu pleite. Die Kritik an der Deutschen Reiterlichen Vereinigung könnte vernichtender kaum sein. Dabei immer wieder im Visier der Kritiker: Generalsekretär Sönke Lauterbach. Zurecht?
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