WM Herning 2022
Christian Ahlmann: „Manchmal muss das Herzchen voraus“
Dein Pferd Dominator und du – wie lange habt ihr gebraucht, um zusammen zu finden?
Wir sind noch gar nicht an dem Punkt, bei dem wir alles genau wissen, also jedes Knöpfchen kennen und alles jede Sekunde abrufbar ist. Das entspricht auch nicht seinem Charakter. Er ist ein richtiger Hengst mit unglaublichem Talent und Sprungkraft und allem, was ein gutes Springpferd auszeichnet im Übermaß, aber auch ein starker Charakter. Er weiß genau, was er will und was er nicht will. Demnach ist es ein Zusammenfinden über Jahre.
Überrascht er dich manchmal noch oder weißt du, in welchen Momente es schwieriger werden könnte?
Wir kennen uns mittlerweile ganz gut. Manchmal muss hier und da aber ein Kompromiss gefunden werden, bei ihm etwas häufiger als bei anderen Pferden. Wir lernen beide, uns danach zu verhalten, gehen Problemen aus dem Weg oder diskutieren sie aus und finden uns so im Sport zurecht. Seine riesengroße Stärke ist, dass er den Sport unheimlich gerne will. Im Parcours lässt er mich nicht im Stich. Er ist ein richtiger Sportler.
Wie lange reitest du ihn schon?
Ich habe ihn schon als junges Pferd immer mal zwischendurch geritten, damals ist Judy (Anm. d. Red.: Ahlmanns Partnerin Judy-Ann Melchior) mehr Turniere mit ihm geritten. Nach der Weltmeisterschaft habe ich ihn siebenjährig übernommen, leider nur für eine gewisse Zeit. Das ist im Rückblick schade, weil die Zeit fliegt. Nun ist er zwölf Jahre alt, sprich im besten Alter. Bisher ist er aber nicht viel gesprungen in seinem Leben, auch weil er viel in der Zucht eingesetzt worden ist. Diese Saison war daher unheimlich wichtig für uns und er hat sich auch außerordentlich gut entwickelt auf schwierigen Plätzen und in schwierigen Prüfungen.
Du hast gerade davon gesprochen, wie wichtig die Saison für euch gewesen ist. Hast du das ganze Jahr schon auf die WM hingearbeitet?
Die Weltmeisterschaften waren das Hauptziel. Aber für mich persönlich gab es nicht nur dieses eine Ziel, das ich nicht aus den Augen verlieren wollte. Ich wollte regelmäßig an Top-Turnieren teilnehmen, um dort zu sehen, was passiert. Dort hat sich gezeigt, dass der Weg nun stimmt. Schon in der Vergangenheit hatten wir immer super Resultate und er hatte auch schon eine Millionen Euro an Preisgeld gewonnen. Doch trotzdem fehlte vor den vergangenen Monaten immer noch etwas. Daran haben wir in den vergangenen Monaten richtig gut gearbeitet. Wir sind an unseren Aufgaben gewachsen, wir zeigen gleichmäßig gute Runden und er zögert auch nicht, sich bei einem Turnier wie diesem zu beweisen, obwohl ihm die ganz große Erfahrung fehlt.
Kommt ihm auf dem Turnier sein starker Wille zu Gute?
Ja genau, er gibt das letzte bisschen Mehr. Das zeichnet ihn aus. In der Laufbahn eines Pferdes kommt irgendwann eine Situation, in der man denkt: ‚Das ist aber hoch. Jetzt muss das Herzchen mal voraus.‘ Manch ein Pferd wird dann ein bisschen kleiner. Er wird größer, obwohl er es zum ersten Mal macht. Das ist eine tolle Eigenschaft, die ihn seit jeher auszeichnet.
Bei den Dressurreitern habe ich viel über mentale Vorbereitung gelernt, machst du das auch?
Ehrlich gesagt, nein. Ich habe öfter mal darüber nachgedacht und mit anderen Leuten darüber gesprochen. Mir hilft es aber erfahrungsgemäß, wenn ich mich auf das konzentriere, was wichtig ist und das ist das Pferd. Ich analysiere mein Pferd im Training, lasse es gesundheitlich checken und achte auf jedes Detail bis ich das richtige Gefühl habe. Dann bin ich zufrieden, ruhig und kann am besten reiten.
Gibt es im Springen noch jemanden, mit dem du zusammen trainierst?
Nein, ich mache das mehr oder weniger seit vielen Jahren alleine. Aber ich habe natürlich Menschen, mit denen ich mich oft austausche. Zum Beispiel mit meiner Partnerin Judy, mit Freunden wie Marco Kutscher oder Daniel Deußer oder mit meinen Leute zu Hause, die kein Mensch kennt und die auch keinen Großen Preis gewonnen haben, aber die mich und meine Pferde kennen und die ganz genau wissen, wenn eine Kleinigkeit anders ist, wie zum Beispiel meine Turnierpflegerin Elsa und meine Stallmanagerin Caroline. Ich glaube auch, dass man lernen muss, mit den Situationen, die sich einem stellen, umzugehen. Wer Lösungen sucht und auch mal einen Fehler macht, lernt dadurch sehr viel und entwickelt sich weiter.
Wie ist es, sich nur auf ein Pferd fokussieren zu können?
Es wäre verkehrt, sich den ganzen Tag Gedanken zu machen. Man muss sich beschäftigen, man muss über andere Dinge reden und man muss den Wettbewerb auf sich zukommen lassen. Die Vorbereitung ist schon lange abgeschlossen. Hier reite ich das Pferd locker, ganz normale Hausmannskost. Im Parcours muss man gut reiten, man muss das nötige Glück haben und man muss gute Entscheidungen treffen.
Genießt Dominator die Aufmerksamkeit?
Er genießt die Aufmerksamkeit sehr. Er ist im Stall superlieb, hat einen super Charakter, ein richtiger Kumpel. Im Stall streicheln ihn auch unsere Kinder. Bei anderen Hengsten würde ich das niemals erlauben. Bei ihm schon. Er ist ein total lieber Kerl, hat nichts Böses an sich, überhaupt nicht. Beim Reiten ist es anders. Da ist er ein richtiger Mann, der seine eigenen Entscheidungen treffen will.
Wann war dein erstes Championat?
2003.
Was hat sich in den 20 Jahren getan?
In 20 Jahren ist sehr viel passiert. Viele tolle Sachen und einige schlechte. In diesem Jahr bin ich echt froh, dass ich so ein tolles Pferd habe und bin motiviert, echt sehr motiviert, gut zu sein. Ich habe mich auf die Weltmeisterschaft sehr gefreut, ehrlich gesagt. Ich bin echt froh, dass es so gelaufen ist und ich dabei sein kann. Alle deutschen Pferde springen gut und wenn wir das hier gut zu Ende bringen sollten, dann wäre ein ziemlich großes Ziel von mir erreicht, was auch einen dementsprechend großen Stellenwert haben würde.
Hat sich der Stellenwert der Weltmeisterschaften denn verändert?
Ich weiß nicht, ob der Stellenwert gesunken ist oder nicht. Vielmehr muss man eine Entscheidung treffen, was einem wichtig und was machbar ist. Es sind viele hochdotierte Turniere dazu gekommen. Früher gab es nur das Championat, Aachen und vielleicht Calgary als Highlight in Sachen Preisgeld. Jetzt haben wir unterschiedliche Touren und Nationenpreise. Das sind durchweg tolle Turniere. Das eine mit mehr Preisgeld, das andere mit etwas weniger, aber überall genug. Wenn mir vor Jahren jemand gesagt hätte, dass es sich so entwickeln wird, hätte ich das nicht geglaubt. Es ist schön, dass es so viele Turniere gibt. Man kann nur nicht überall reiten. Man muss selektieren, was für einen wichtig ist, welches Turnier. Wenn wir nun auf diese Weltmeisterschaft schauen, können wir sagen, dass die besten Reiter der Welt da sind. Dabei ist es bei Weitem nicht das bestdotierteste Turnier und dementsprechend hat die Weltmeisterschaft nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert aus sportlicher Sicht.
Wonach entscheidest du was wichtig ist?
Es hängt vom Pferd ab. Bei einem Championat brauche ich ein Pferd, das vier Tage springen kann. Wenn mein Pferd das nicht kann, fahre ich zu einem anderen Turnier. Und es gibt viele weitere Faktoren, die wir Reiter bedenken. Es geht um den Platz, die Saisonplanung und so weiter.
Wen schätzt du hier im Einzel als besonders stark ein?
Die Schweden, zwei von dreien mischen sicher ganz vorne mit. Henrik von Eckermann ist der Mann, der geschlagen werden muss. Er hat das Pferd im besten Alter. Alles drumherum läuft für ihn auch gut. Er strotzt vor Selbstvertrauen.
Was braucht man für ein Pferd, um Weltmeister werden zu können?
Ein Pferd, das in einem guten Alter ist. Ein Pferd, das alles kann. Ein Pferd, das in jeder Situation Herr der Lage ist und in der nötigen Form ist. Reiterlich sind sehr viele Reiter in der Lage ganz vorne mitzugehen. Sie haben auch gute Pferde. Für manche kommt das Championat vielleicht ein bisschen früh, für andere ein wenig spät. Ein Pferd macht mal einen Fehler, weil der Reiter einen Fehler gemacht hat, ein anderes, weil es ein bisschen müde wird. Solche Kleinigkeiten sind wichtig, genau wie der richtige Flow. Das gesamte Paket muss stimmen, dann hat man eine gute Chance.
Vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg hier in Herning bei den Weltmeisterschaften.
CHIO Aachen 2022
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